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Die Roisdorfer Glocken

Ein volltönendes Geläute mit wechselvoller Geschichte

Glockenturm der Pfarrkirche St. Sebastian Roisdorf

Seit dem frühen Mittelalter laden die Glocken der Kirchen zu den Gottesdiensten ein, rufen sie zum Gebet auf, warnen sie vor Unglück, jubeln sie bei glücklichen und festlichen Ereignissen. Den Frieden sollen sie verkünden, doch laufen sie stets Gefahr, auf den materiellen Wert ihres Metalls reduziert und zu Kriegswaffen umgeschmolzen zu werden – ein Schicksal das auch die Glocken der Roisdorfer Pfarrkirche ereilte, so dass unser heutiges Geläute bereits das dritte seit der Gründung der Pfarrgemeinde vor knapp120 Jahren darstellt.

Die Glocke der Sebastianuskapelle

Glocke des Malteser-Altenheims in Rheinbach

Einen rätselhaften Fund machte man im Jahre 1998 in Rheinbach: Als man die seit Jahrzehnten unbenutzte Glocke des Dachreiters des dortigen Malteserkrankenhauses herunternahm, um sie im Turm der Kapelle des Altenheims Marienheim zu installieren, entzifferte man auf ihr folgende Inschrift: „Im Jahre 1849 ließ die Gemeinde Roisdorf diese Glocke zu Ehren des Sankt Sebastianus gießen durch G. Claren in Sieglar“.

Eine Roisdorfer Glocke in Rheinbach? Wie und wann gelangte sie dorthin? Die Rheinbacher wandten sich an die Roisdorfer Pfarrgemeinde, diese leitete die Anfrage an die Heimatfreunde weiter: Aufklärung brachte der Blick in die handschriftliche Roisdorfer Chronik des Wilhelm Rech, in der der langjährige Ortsvorsteher in der Zeit um 1910 manches Erlebnis seiner Jugendzeit notierte:

„Auf unser alten, angebrochenen verschwundenen Kapelle, stand auch in der Mitte auf dem Dache, ein kleines Thürmchen, mit einer Glocke, und wenn wier St. Sebastianus feierte, so wurde auch mit, oder auch, auf, dieser Glocke, den Bamm geschlagen. Und zwar meistens von halbwüchsigen Burschen, diese sorgten sich einige schöne, passende, Steine in die Tasche, stiegen an die Glocke, nahmen, in jede Hand einen Stein, und schlugen dann mit beiden Händen, auf die Glocke los, und suchten dan auch eine Harmonie heraus zu bekomen, die aber meistens sehr schlecht ausfiel, und nur ein erbärmliches Geklinger und Specktakel war, dieses machte aber nichts, es war ja Kirmes, und so wurde drauf los geschlagen. Bis auf einmal da hörte der Glockenton auf, und es kam ein geborstenen Kesselton heraus. Erschreckt nahmen die Bammschläger vom Thurm Reißaus. Bei der Untersuchung stellte es sich heraus, das die Glocke einen Riß bekommen hatte. Von dieser Stunde an, es mag ungefähr in den 40gen Jahren, des vorigen Jahrhundert gewesen sein, hört das Bammschlagen bis heute in Roisdorf, wo wier 1910 schreiben, ganz auf.

Bei unser vier schönen Glocken ist es auch durchaus kein Bedürfniß mehr, wenn diese alle vier geläutet werden, so ist das eine Harmonie, wo das Bammschlagen, gar nicht gegen an kann kommen. Eine erhabene Zierde für die ganze Umgegend. Die geborstene Glocke wurde herunter genommen, und auf die andere Seite vom Rhein, nach Sieglar, in die dortige Giesserei gesandt, und etwas schwerer Umgegossen, kam dann neu zurück, wieder in das Kapellenthürmche zu hangen.“

Kapelle St. Sebastian von 1772

Offenbar handelte es sich bei der in Rheinbach entdeckten Glocke also um die nach der Zerstörung durch die ungeschickten Bammschläger umgegossene Glocke der ersten Roisdorfer Kirche, der 1772 geweihten und 1884 abgebrochenen St.-Sebastianus-Kapelle am Fuße des Lindenbergs. Auf welche Weise die Glocke nach Rheinbach, ins damalige Kloster der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ gelangte, wusste Wilhelm Rech ebenfalls zu berichten: Es war der Bonner Kirchenbaumeister Johann Adam Rüppel, der 1897die Turmanlage der Roisdorfer Pfarrkirche vollendete und die Pfarrgemeinde dazu veranlasste, die mit der Anschaffung des neuen Geläutes überflüssig gewordene Glocke der alten Kapelle nach Rheinbach zu verschenken.

Die wiederentdeckte erste Roisdorfer Glocke ist somit eine Bronzeglocke der Zeit um 1772, damit vielleicht gar ein Werk des damals im Vorgebirge und im Bonner Raum tätigen wallonischen Glockengießers Martin Legros. Umgegossen von der Sieglarer Glockengießerei Claren, die im 19. Jahrhundert zahlreiche Kirchen unserer engeren Heimat mit Glocken versah, hat sie sich bis heute erhalten und damit als wesentlich langlebiger erwiesen als die meisten ihrer Nachfolgerinnen im Kirchturm von 1897, auf die im Folgenden eingegangen sei.

Als Download im mp3-Format:
Der Klang der ersten Roisdorfer Glocke [1.087 KB]

Beiern und Bammschlagen

Glockenbeiern mit Seilzügen durch Hermann Kolvenbach, St. Dionysius zu Keldenich in der Eifel, um 1966. Foto und ©: Franz Sistig, Kall in der Eifel

Zuvor jedoch einige Bemerkungen zu dem von Rech beschriebenen Bammschlagen bzw. Beiern: Unter „Beiern“ versteht man eine besonders festliche Art des Glockenläutens, mit dem man herausgehobene Festtage im Kirchenjahr ankündigt oder das zur feierlichen Untermalung von Prozessionen dient. Es werden dabei die Klöppel der in ihren Achsen blockierten Glocken kurz vor dem Glockenrand mit Seilen festgespannt und mittels komplizierter Seilzüge mit Hand und Fuß angeschlagen – dies meist nach althergebrachten melodischen bzw. rhythmischen Vorlagen. In manchen Kirchen mit besonders reicher Glockenausstattung kann auch der so genannte „Bamm“ geschlagen werden, d.h. eine große Glocke mit dunklem Ton schwingt durch, während auf den kleinen Glocken dazu ein schnellerer Rhythmus geschlagen wird.

Der Brauch des Glockenbeierns ist in weiten Teilen Europas verbreitet. Man findet ihn in Frankreich ebenso wie in Belgien und den Niederlanden, bis hinauf nach Skandinavien und dem Ostseeraum. Auch im westlichen und nördlichen Deutschland ist er anzutreffen – allerdings nicht in Bayern, obwohl dies der Name zunächst vermuten lassen könnte. Tatsächlich hat der Begriff „beiern“ nichts mit dem Voralpenraum zu tun, vielmehr leitet er sich, wie der Dersdorfer Heimatforscher und Beierexperte Horst Bursch herausgefunden hat, vom nordfranzösischen Wort „baier“ ab, das soviel wie „bellen“ bedeutet. Das Bellen, das „Anschlagen“ der Hunde ist seit jeher mit dem Läuten der Glocken verglichen worden, die ja ebenfalls „angeschlagen“ werden. Nicht von ungefähr heißt Glocke im Englischen „bell“, spricht man hierzulande im Vorgebirge davon, dass die Hunde „logge“, wenn sie bellen.

Beiern der Heimatfreunde bei der Großkirmes 1998

In manchen Dörfern unserer Nachbarschaft ist der Brauch des Glockenbeierns stets lebendig geblieben, hat sich eine große Vielfalt unterschiedlicher Beiermelodien, den technischen Gegebenheiten und dem Geschick der Beierleute entsprechend, entwickelt. Das feierlichste Beiern im Vorgebirge kann man heute unbestritten in Brenig erleben, wo regelmäßig auf den wertvollen barocken Bronzeglocken der „Bamm geschlagen“ wird.

Hier mehr zum Bammschlagen in Brenig und anderswo

In Roisdorf kam der Brauch hingegen gänzlich zum Erliegen. Nicht nur war, wie schon Chronist Rech erwähnt, hier das Beiern nach den Erfahrungen mit der zerborstenen Glocke des 19. Jahrhunderts schlecht angesehen, sondern erwiesen sich auch die Glocken im Kirchturm aufgrund ihrer Schwere und der Weise ihrer Aufhängung als kaum für das Beiern oder gar das Bammschlagen geeignet – was auch durch die Heimatfreunde Roidorf in den späten 1990er Jahren unternommene Versuche einer Wiederbelebung zum Scheitern brachte. Erfreulicherweise deuten sich hier jüngst neue Initiativen an.

Gleichwohl kannte noch in den 1950er Jahren manches Kind die alte Roisdorfer Beiermelodie und den dazugehörenden, den Rhythmus verdeutlichenden Spruch, bei dem es sich um eine Ortsneckerei der Bewohner der umliegenden Dörfer handelte:

„Die Roisdebe Löck,/ die hann jo Jeld,/ dat ös bekannt/ en de janze Welt/ vom Sandkroom,/ vom Sandkroom“.

Es wurde hierbei scherzhaft auf den bescheidenen Wohlstand angespielt, den sich die Roisdorfer „Sandgräber“ in den vergangenen Jahrhunderten durch den Handel („Kroom“) mit dem hier zu findenden feinen, weißen Quarzsands erwerben konnten. Die Roisdorfer freilich wussten mit entsprechenden Sprüchen zu kontern. So sang man zum Beispiel, wenn man die Alfterer Glocken beiern hörte:

„Dat Aleftere Volk,/ dat mäht jäen Olk/, dat süff wie en Koh/ on friss dozo./ Dat schlau Volk,/ dat schlau Volk.“

Das erste Geläute

Einholung der Glocke "Guilelmus" 1897

Doch zurück zu den Glocken der 1876 geweihten, 1897 mit der Dreiturmanlage ergänzten Roisdorfer Pfarrkirche St. Sebastian, von denen auch Wilhelm Rech berichtete. Für deren Anschaffung fand die junge Pfarrgemeinde einen großzügigen Sponsor in der Person des Wilhelm Custor, des Kölner Apothekers und Mineralwasserhändlers, der seit 1876 den Mineralbrunnen gepachtet und den Versand des Roisdorfer Wassers in Schwung gebracht hatte. Wilhelm Custor ermächtigte den Kirchenvorstand, vier Glocken in Auftrag zu geben, was auch umgehend bei der Glockengießerei der Gebrüder Otto in Hemeling bei Bremen erfolgte, einer bereits renommierten Firma, die in damit eine umfangreiche Liefertätigkeit in das Erzbistum Köln beginnen sollte. Die für den Sommer 1897 vorgesehene Auslieferung der Glocken verzögerte sich indes, da Franz Otto den Transport per Güterzug aus Gründen der Kostenersparnis mit dem von vier neuen Glocken für die Bonner Marienkirche verband.

Endlich war es am Allerseelentag, dem 2. November 1897 soweit: Am Roisdorfer Staatsbahnhof wurden die neuen Glocken abgeladen, um am nächsten Tag zwecks Prüfung an provisorischen Gerüsten vor der Pfarrkirche aufgehängt zu werden. Hierzu reiste als Glockensachverständiger des Erzbistums Köln eigens Domkapellmeister Carl Cohen an. Sein Urteil fiel überaus günstig aus: Er bezeichnete die Glocken als Meisterwerk der Glockengießerkunst. Gestimmt waren sie in den Tönen e, g, a und h.

Wilhelm Custor

Die erste Glocke wog 2.492 Pfund. Sie trug die Inschrift: „Guilelmus vocor. Guilelmus Custor Coloniensis donavit 1897. Coeli enarrant gloriam Dei et opera manuum eius annunitat firmanemtum“ (Wilhelm werde ich genannt. Wilhelm Custor hat mich 1897 gestiftet. Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes und das Firmament die Werke seiner Hände).

Die zweite Glocke, 1464 Pfd. schwer, trug die Inschrift: Guilelmus Custor Coloniensis donavit 1897. Stimmt ein mit Schall, ihr Menschenkinder all. Ave Maria.

Die dritte Glocke, 1062 Pfd.: Guilelmus Custor Coloniensis donavit 1897. St. Joseph, nos ab hoste protege et in hora mortis suscipe. (Hl. Josef, beschütze uns vor dem Feinde und nimm uns auf in der Stunde des Todes).

Die vierte Glocke, 742 Pfd.: Guilelmus Custor Coloniensis donavit 1897. Sebastiani martyris diem sacratam vocibus canamus omnes debitis. (Den Festtag des Märtyrers Sebastian lasst uns alle mit dem gebührenden Lobpreis besingen).

Am Nachmittag des 7. November erfolgte die feierlich gestaltete Einweihung der Glocken. Von Musik und Böllerschüssen begleitet zogen die Angehörigen der Pfarrgemeinde samt den Fahnenabordnungen der Vereine vom Mineralbrunnen durch die beflaggte Brunnenstraße zur Kirche, wo sie für den aus Köln angereisten Herrn Custor ein ehrendes Spalier bildeten. Die Einweihung der vor der Kommunionbank aufgestellten und bekränzten Glocken durch Pfarrer Josef Heilgers unter Assistenz von sechs auswärtigen Geistlichen wurde von Predigt und Sakramentalem Segen umrahmt. Nach der Feier bewegte sich der Zug zum Festsaal der Gastwirtschaft Weber am Brunnen, wo man den Stifter der Glocken hochleben ließ. „Nun folgten sich Musick und Gesangvorträgen mit Reden und Toasten, in allgemeiner Gemüthlichkeit, und schönster Ordnung, bis 11 1/2 Uhr, Schluß“, wie Rech später in seiner Chronik notierte. Am 9. November erklangen die in den Turm hinaufgezogenen Glocken zum ersten Mal.

Überflüssig geworden war damit die Glocke der alten Sebastianuskapelle, die man nach deren Abbruch zunächst an der südlichen Giebelwand des Kirchenschiffs angebracht hatte. Es erfolgte der erwähnte, von Baumeister Rüppel angeregte Schenkung an das Rheinbacher Kloster. Weiter verwendet wurden indes zunächst zwei kleine, aus der ehemaligen Bornheimer Donatuskapelle stammende Glocken, die man in einem provisorischen Türmchen auf dem Chor des Kirchenschiffs aufgehängt hatte, wo sie bei der Wandlung und während der Versehgänge zu Kranken geläutet wurden.

Das Läuten der Glocken fand in folgender Ordnung statt: Nur unter Aufsicht des Küsters bzw. Glöckners durfte geläutet werden. Dieser erhielt dafür eine jährliche Vergütung aus der Kirchenkasse, lediglich für das Läuten am Geburtstage des Kaisers bezahlte man ihn aus der Gemeindekasse. Mit allen vier Glocken durfte nur an Festtagen und bei festlichen Gelegenheiten geläutet werden. An gewöhnlichen Sonntagen hingegen läutete man mit drei Glocken, an Werktagen mit nur zwei Glocken. Die Gebetszeiten morgens, mittags und abends zeigte man mit der Glocke „Ave Maria“ an. Bei Begräbnissen von Erwachsenen kamen vier Glocken zum Einsatz, bei Begräbnissen von Kindern lediglich zwei Glocken.

Das zweite Geläute

Pfarrer Ignatz Goertz

Nur knapp 20 Jahre lang konnten sich die Roisdorfer an dem prachtvollen Geläute erfreuen. Die Glocken fielen, wie das Lagerbuch der Pfarrgemeinde verzeichnete, „dem Weltkriege zum Opfer“, d.h. sie wurden, wie auch die metallenen Orgelpfeifen, zum Zweck der Waffenproduktion eingezogen. Die drei größeren Glocken wurden so am 1. Juli 1917 abtransportiert, lediglich die kleinste, die Sebastianus-Glocke, durfte in Roisdorf verbleiben.

Bald jedoch nach dem Friedensschluss drängten die Gemeindeangehörigen darauf, ein neues Geläute anzuschaffen. Der Kirchenvorstand bewilligte 1921 entsprechende Mittel und man führte wiederholt Kollekten für diesen Zweck durch, allerdings erlaubte die rasche Geldentwertung zunächst nicht, den Beschluss umzusetzen. Ermutigt durch die günstige Verpachtung von Kirchenbänken und ein Zahlungsentgegenkommen der Glockengießerei F. Otto in Hemelingen beschloss der Kirchenvorstand Anfang 1925, drei Glocken bei der genannten Firma, die ja auch schon das erste Geläute geliefert hatte, in Auftrag zu geben. Die am 3. Dezember1925 in Roisdorf ankommenden Glocken wurden am 6. Dezember feierlich eingeholt. Die eigentliche Glockenweihe durch Pfarrer Ignaz Goertz erfolgte dann am 8. Dezember Am gleichen Tag prüfte sie Auftrag der Erzbischöflichen Behörde Pfarrer Carl Wiltberger aus Lessenich. Er gab zu Protokoll: „Der Unterzeichnete hat die von der Glockengießerei Fr. Otto in Hemelingen bei Bremen für die katholische Pfarrkirche in Roisdorf gelieferten Glocken e, g, a einer Prüfung unterzogen. Vorhanden war noch die Glocke h, die etwas zu hoch klingt. Die Haupttöne der neu gegossenen Glocken kommen rein zur Geltung, ebenso hören sich die Nebentöne klar an, störende Leittöne sind nicht vorhanden. Der Guß ist sauber und glatt. Die Gesamtwirkung des Geläutes majestätisch und voll, die Summtöne geben dem Geläute eine harmonische Fülle.“ Die neuen Glocken waren in denselben Tönen e, g und a gestimmt, wie die verlorenen früheren

Josefsglocke

Die erste, die Wilhelmsglocke, wog 1347 kg und trug die Inschrift: „Guilelmus vocor. Coeli enarrant gloriam Dei et opera manuum eius annuntiat firmamentum. Tres campanae maiores prioribus a Guilelmo Custor donatis atque pro tuenda patria tempora belli 1917 traditis a parochanis emptae sunt anno MCMXXV.” (Wilhelm werde ich genannt. Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes und das Firmament die Werke seiner Hände. Die drei größeren Glocken unter den früheren, von Wilhelm Custor gestifteten und zur Verteidigung des Vaterlandes zu Zeiten des Krieges 1917 abgegebenen, wurden von den Pfarrangehörigen neu angeschafft im Jahre 1925)

Auf der zweiten Glocke, 785 kg schwer, war wie auf ihrer Vorgängerin zu lesen: Stimmt ein in meinen Schall, ihr Menschenkinder all: Ave Maria.

Pastor Matthias Ossenbrink

Die dritte Glocke, 559 kg schwer, war die Josefsglocke: „St. Joseph, nos ab hoste protege et hora mortis suscipe.“ (Hl. Josef, beschütze uns vor dem Feinde und nimm uns auf in der Stunde des Todes)

Das zweite Geläute sollte jedoch das gleiche unrühmliche Ende finden wie sein Vorgänger und dies nach noch kürzeren Bestand von nur 16 Jahren: Der Zweite Weltkrieg, in dem die Einschmelzung der Kirchenglocken zwecks Waffenproduktion noch rigoroser vorgenommen wurde als im Ersten Weltkrieg, forderte seinen Tribut. Am 2. März 1942 wurden die Glocken, mit Ausnahme der Josefsglocke, die man behalten durfte, abgenommen, und am Karsamstag, dem 4. April abtransportiert.

Kriegszerstörungen im Roisdorfer Oberdorf

Als „Opfer auf dem Altar des Vaterlandes“ bewertete Pfarrer Matthias Ossenbrink die Ablieferung der Glocken in einer Ansprache, die er damals auf Schallplatte aufnehmen ließ: „Das Opfer der Kirchenglocken ist nur ein kleines, im Vergleich zu jenen Opfern, die da gekennzeichnet sind mit den Worten: gefallen, vermisst, schwer kriegsbeschädigt, fliegergeschädigt und so fort. Möge der Herrgott auch uns Roisdorfern bald als vollen Lohn für all diese Opfer ein freies Deutschland schenken. Das Metall der Glocken, die nur zur Ehre es Allerhöchsten ihre eherne Stimme erschallen ließen, wird zur Niederringung des russischen Bolschewismus eingesetzt, jenes Bolschewismus, der sich nicht genug tun kann in Gotteshass und Christenverfolgung in der rücksichtslosen Zerstörung der alten christlichen Kulturwerte und der Knebelung jeglicher, den Menschen von ihrem Schöpfer zugedachten persönlichen Freiheit. So bleiben die Glocken auch in der Erfüllung ihrer Kriegsaufgabe ihrer Bestimmung treu.“

Bemerkenswert an der Ansprache Ossenbrinks erscheint die Charakterisierung des sowjetischen Totalitarismus, die in gleicher Weise – und dies dürfte angesichts der Überzeugungen des dem "Zentrum" nahe stehenden Pfarrers auch gemeint gewesen sein – auf das nationalsozialistische Regime bezogen werden kann.

Als Downloads im mp3-Format:
Ansprache von Pfarrer Ossenbrink von 1942 [2.540 KB]
Geläut der Roisdorfer Pfarrkirche am 11. Februar 1942 [1.640 KB]

Das dritte Geläute

Die Entbehrungen der unmittelbaren Nachkriegszeit hielten die Roisdorfer nicht davon ab, alsbald die Anschaffung eines neuen Geläutes anzustreben. Nur eines war nach den traurigen Erfahrungen mit den ersten beiden Geläuten klar: Nie wieder sollten es Bronzeglocken sein, die in nächsten kriegerischen Zeiten unweigerlich wieder eingezogen würden. Als Alternative boten sich Glocken aus Gussstahl an, wie sie vom sog. Bochumer Verein seit der Mitte des 19. Jahrhunderts angeboten und in alle Welt exportiert wurden – wie u.a. die Friedensglocke von Hiroshima. Gerne nahm man den etwas härteren Klang der Stahlglocken im Vergleich zu den Bronzeglocken in Kauf.
Nachdem die Finanzierung durch Kollekten und Stiftungen von Einzelpersonen gesichert war – so stiftete der Arzt Wilhelm Gehlen von der Bonner Straße ebenso eine Glocke wie der Landwirt Hermann-Josef Grün vom Oberdorfer Weg, gleichfalls Pfarrer Ossenbrink eine Glocke aus Anlass seines Silbernen Priesterjubiläums – erging der Auftrag noch 1947 an den Bochumer Verein. Am 13. Januar 1948 erfolgte die Abnahme der neuen Glocken in Bochum durch Pfarrer Ossenbrink, durch Heinrich Engels, Christian Schmidt, Gerhard Schäfer und Peter Fassbender seitens des Kirchenvorstands sowie durch Organist Wilhelm Weber und Jakob Dick. Zwei Tage später holte man die vier neuen Glocken in Bochum mit zwei Lastwagen der Gemüseversteigerung ab.

Der Empfang der Glocken in Roisdorf und deren Weihe bedeuteten für die Roisdorfer das erste festliche Großereignis nach Kriegsende und damit ein besonderes Zeichen der Hoffnung auf friedlichere und glücklichere Zeiten. Am 16. Januar wurden die Glocken in feierlichem Zuge von der Versteigerung über Herseler Straße, Bonner Straße, Brunnenallee und Brunnenstraße zur Kirche gefahren, wo Ortsvorsteher Hubert Schäfer von einem der geschmückten Wagen aus eine Ansprache hielt. Die Weihe der vor der Kirche an Gerüsten aufgehängten Glocken nahm am 18. Januar Dechant Pfarrer Blum vor, gefolgt von einer durch den Kirchenchor gestalteten kirchenmusikalischen Andacht. Am 19. Januar wurden die Glocken durch Männer aus dem Dorf unter Anleitung eines Monteurs aus Bochum durch die zu diesem Zweck erweiterten Glockenlöcher in den Glockenstuhl hochgezogen, um am 20. Januar aus Anlass des Festes des hl. Sebastian von den Schützenbrüdern zum ersten Male geläutet zu werden. Es folgte am 25. Januar noch ein feierliches Hochamt mit Orchesterbegleitung.

Sebastianusglocke

"Nur ewigen und ernsten Dingen sei ihr metallner Mund geweiht!" Dieser Spruch zierte ein eigens gedrucktes Einladungsblatt zu der Glockenweihe, mit dem man die Gemeindmitglieder auch näher über die neuen Glocken informierte:

1. Glocke, Ton c, Durchmesser 1782 mm, Gewicht 46 Zentner:
Aufschrift: Sancte Sebastiane, tuam devotam parochiam sub tutela tua guberna! Auf deutsch: Heiliger Sebastian, leite die dir geweihte Pfarrgemeinde unter deiner Obhut!

Krankenglocke

2. Glocke, Ton e, Durchmesser 1414 mm, Gewicht 30 Zentner:
Aufschrift: Aegrotis ad consolationem! Donavit Doctor medicinae Guilemus Gehlen. Auf deutsch: Den Kranken zum Troste! Stifter Dr. med. Wilhelm Gehlen.

Roisdorfer Hermann-Josefs-Glocke

3. Glocke, Ton g, Durchmesser 1189 mm, Gewicht 18 Zentner:
Aufschrift: Sancte Hermanne Joseph, nos in hora mortis suscipe! Donavit Hermannus Joseph Gruen. Auf deutsch: Heiliger Hermann Josef, nimm uns in Schutz in der Stunde des Todes! Stifter Hermann Josef Grün.

Mutter-Gottes-Glocke

4. Glocke, Ton a, Durchmesser 1059 mm, Gewicht 15 Zentner:
Aufschrift: Mater fida Dei defende, protege, serva vexatum bello luctifero populum! Anno vigentesimo quinto sacerdotii sui Matthias Ossenbrink, par. Roisdorfiensis. Auf deutsch: Treue Mutter Gottes verteidige, beschütze und behüte das durch den leidbringenden Krieg heimgesuchte Volk! Im 25. Jahre seines Priestertums Matthias Ossenbrink, Pfarrer von Roisdorf.

Während die vier neuen Glocken, wie ihre Vorgänger, im Hauptturm der Pfarrkirche untergebracht wurden, hängte man die vom Geläute des Jahres 1925 übrig gebliebene 5. Glocke, die Josefsglocke, im rechten Seitenturm auf, wo sie fortan als Totenglöckchen dienen sollte.

Als Downloads:

Der Klang des heutige Roisdorfer Geläutes [1.880 KB]

Der Klang des Totenglöckchens [399 KB]

Die Glocken im Gemeindeleben

Kirchturm, 1950er Jahre

Auch wenn anfangs die Stahlglocken der Roisdorfer Pfarrkirche von Einwohnern der benachbarten Orte als „Blechglocken“ verunglimpft wurden, wuchsen sie den Roisdorfern mit ihrem reichen Klang doch bald ans Herz. Mehrere technische Modernisierungen wurden in den folgenden sechs Jahrzehnten vorgenommen. So war es bald nicht mehr nötig, dass die Glocken von den Messdienern mit Muskelkraft per Seilen geläutet wurden, da man einen elektrischen Antrieb installierte, der sich heute elektronisch steuern lässt. Auch wurde der Glockenstuhl im Rahmen einer Sanierung der seit dem Abbruch des Kirchenschiffs im Jahre 1980 selbständigen Turmgruppe erneuert, die Ausrichtung der Glocken dabei aus Gründen der Statik des Turms geändert, so dass sie nun nicht mehr in nord-südliche, sondern in ost-westliche Richtung schwingen.

Kirchturm 2003

Das Kirchenjahr bietet vielfältige Möglichkeiten für eine differenzierte Nutzung der fünf Glocken des Roisdorfer Geläutes. Ihre Einladung kann sich auf einen Gottesdienst als Ganzes beziehen, auf bestimmte Vorgänge des gottesdienstlichen Geschehens, auf einzelne Gebetszeiten oder auf den Tod eines Gemeindemitglieds. Dient der Glockenschlag der Kirchturmuhr als einfache Zeitansage, so kann das feierliche Einläuten des neuen Jahres als nachdrückliche Zeitansage gelten. Dem jeweiligen Zweck entsprechend kommen einzelne Glocken, Kombinationen aus mehreren Glocken oder das gesamte Geläute zum Einsatz. Aber auch das Schweigen der Glocken, wie an den Kartagen, in denen es durch das Kleppern der Messdiener ersetzt wird, hat seine spezifische Aussage.