Über uns Geschichte Brauchtum Vorgebirge Mundart Sitemap Intern Dateschutzerklärung
Startseite Geschichte Leben und Arbeiten in Roisdorf Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort

Geschichte


Historischer Überblick Der Mineralbrunnen Burgen, Schlösser und Villen Kirche und kirchliches Leben Leben und Arbeiten in Roisdorf Spannende Orte Vereine und Gruppen Kalender "Roisdorf wie es war" Fundstücke

Ein gesegnetes Fleckchen Erde Der Dietkirchener Hof St. Clara und ihr Roisdorfer Hof Ein neues Weinanbaugebiet? Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort Sandgräberei und Sandkrämerei Die Anfänge der Dorfschule (1815-1839) Sebastian-Schule Roisdorf Schmitze ihr Schmett

Impressum Kontakt

Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort

Handel, Handwerk und Industrie

Sandgrube "Maria" oberhalb Roisdorf/ Botzdorf 1890er Jahre

In der berühmten Beschreibung seines Heimatortes schilderte der damalige Ortsvorsteher von Roisdorf, Wilhelm Rech, die wirtschaftlichen Verhältnisse im 19. Jahrhundert: „[…] Die Bevölkerung ernährte sich in der Hauptsache durch Weinbau, dann Ackerbau, Viehzucht, durch den weißen Silbersand, der hier in den Bergen liegt […]“. Diese starke wirtschaftliche Stellung der Landwirtschaft hielt sich in den meisten Ortschaften des Vorgebirges bis in die Zeit weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerade in Roisdorf fanden sich jedoch auch in früheren Zeiten bereits andere Einnahmequellen für die Bevölkerung. Ein Beispiel ist der erwähnte „Weiße Silbersand“. Der Abbau von Quarzsand, wie er oberhalb des Ortes zu finden ist, war zeitweilig für ein Drittel der hiesigen Haushalte eine Haupteinkunftsquelle. Die „Sandkrämer“ gruben mit einem Spaten, der in der Mitte zu einem Winkel gebogen und mit einer Stange verlängert wurde, mühevoll Löcher in den Berghang, um den Sand ans Tageslicht zu befördern. Dieses wertvolle Gut brachten sie, oft mit Hundekarren, nach Bonn. Dort diente er als Reinigungsmittel zum Ausfegen der bürgerlichen Wohnhäuser ebenso wie als Rohstoff für die Glas- und Fayencefabrikation. So konnten sich kleine Bauern und Tagelöhner zwar ein Zubrot sichern, setzten damit aber auch ihre Gesundheit durch die harte Arbeit und insbesondere den Sandstaub aufs Spiel – vom harten Los der Zugtiere einmal ganz zu schweigen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die „Sandkrämerei“ ab, der industrialisierte Abbau, etwa in der Nähe des heutigen Schützengeländes, hingegen zu. Weiterverarbeitet wurde der Sand in einem speziellen Mühlenbetrieb in der Nähe des Bahnhofs an der Bonner Straße. Hier wurden bereits in den 1920er und 30er Jahren Arbeitskräfte aus Südeuropa eingesetzt, eine Frühform der „Gastarbeiter“. Im Volksmund bekam dieses Unternehmen schnell den Namen „Dudemöll“, weil auch hier die Arbeiter durch den Sandstaub erheblich gesundheitlich beeinträchtigt wurden. Im weiteren Verlauf fand der Abbau eher im Bereich Brenig und Botzdorf statt und endete schließlich 1999 endgültig. Durch Initiativen von Seiten der Bürger konnten die weiteren Vorhaben in dieser Richtung verhindert werden.

Mineralbrunnen, 1876

Neben der eher kleinteiligen Erwerbsquelle des Sandabbaus bestand in Roisdorf schon früh ein Wirtschaftsfaktor, der am Vorgebirge und im weiten Umland bis heute seinesgleichen sucht. Der Mineralbrunnen erlebte seit seiner ersten urkundlichen Erwähnung 1445 viele Höhen und Tiefen. Er stellt bis heute einen so bedeutenden Faktor für die Wirtschaft in Roisdorf und der gesamten Stadt Bornheim dar, dass ihm ein eigenes Kapitel dieser Festschrift gewidmet wird.

Der Roisdorfer Bahn-hof symbolisierte den Anschluss Roisdorf an die "weite Welt".

Richten wir an dieser Stelle den Blick auf einen anderen Standortfaktor, der Roisdorf ebenfalls bis zum heutigen Tage nachhaltig prägt. Die außerordentlich gute Verkehrsanbindung durch zwei Bahnlinien trug viel zur wirtschaftlichen Entwicklung unseres Ortes innerhalb der letzten fast 170 Jahre bei. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie Köln-Bonn durch die „Bonn-Cölner-Eisenbahngesellschaft“ im Jahre 1844 und der Errichtung des repräsentativen Bahnhofes nahe der Bonner Straße begann für Roisdorf eine kleine Erfolgsgeschichte. Der Bahnhof diente zunächst hauptsächlich dazu, die Gäste des Kurbades Roisdorf zu empfangen, denn durch geschickte Vermarktung des heimischen Mineralwassers entwickelte sich hier zwischen 1826 und 1850 ein reger Kurbetrieb mit zahlreichen Besuchern.

Der Briefkopf der Fa. Gammersbach zeigt 1925 ein großes und aufstrebendes Unternehmen.

Nach dem Niedergang des Kurbetriebes begann in den 1850er Jahren im ehemaligen Kurhaus die „Gerberei, Lackleder- und Militäreffektenfabrik Gammersbach“ mit der Produktion. Erzeugt wurde alles aus Leder, von Überzügen für Militärhelme bis hin zu Aktentaschen für den modernen Geschäftsmann. Dieses Unternehmen nutzte insbesondere die Eisenbahn zum Transport von Rohstoffen und fertigen Erzeugnissen. In Spitzenzeiten beschäftigte Franz Wilhelm Gammersbach weit über 300 Mitarbeiter. Die Gewerbesteuerliste der damaligen Bürgermeisterei Waldorf von 1898 vermerkte für die Fa. Gammersbach ausdrücklich die Zweigniederlassungen in Breslau, Berlin und Frankfurt am Main. Betriebe dieser Größe waren am Vorgebirge im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert die absolute Ausnahme und so nahm Roisdorf eine Pionierrolle auf diesem Gebiet ein.

Villa Gammersbach der Industriellenfamilie, am oberen Bildrand die Sandmühle Schumann am Bahnhof

Es schien sich in Roisdorf eine Arbeiterschaft als Gesellschaftsschicht zu etablieren, wo anderswo nur der landwirtschaftliche Stand vorherrschte. So schrieb der berühmte Lokalhistoriker Pfarrer Maaßen in seiner 1885 erschienenen „Geschichte der Pfarreien des Dekanates Hersel: „[…] Roisdorf, mit einer Eisenbahnstation, liegt tief am Fuß des Vorgebirges. Die Zahl der Einwohner ist seit 1844, vorzüglich durch die Anlage der Glanzlederfabrik von Gammersbach, von 610 auf 1.115 gestiegen. […]“. Ein Unternehmen wie die Fa. Gammersbach, deren Jahresumsatz Mitte der 1930er Jahre bei zwei Millionen Reichsmark lag, schien Roisdorf für alle Zeiten Sicherheit und Wohlstand zu garantieren.

Vorgebirgsbauern auf dem Kölner Heumarkt, um 1900

Doch auch ein ganz anderer Wirtschaftsbereich erfuhr durch den Eisenbahnbau und insbesondere durch die Fertigstellung der Vorgebirgsbahn 1898 eine erhebliche Verbesserung. Der im Volksmund als „Feuriger Elias“ bezeichnete Dampfzug pendelte zwischen Köln und Bonn, zunächst als Schmalspurbahn, später im Normalspurbetrieb. Mit Hilfe des Bähnchens konnten die Erzeugnisse der Vorgebirgsbauern zu den städtischen Märkten transportiert werden. Bis dahin schafften die Bauern ihre Produkte mühsam mit der „Schürreskar“ oder in Körben auf dem Kopf in die Städte. Die Zahl der Marktbeschicker und die Menge der landwirtschaftlichen Waren aus dem Vorgebirge müssen schon vor Jahrhunderten erheblich gewesen sein. In Köln wurde nämlich im 15. Jahrhundert extra eine Marktordnung erlassen. Sie regelte ausdrücklich den Verkauf der Waren aus dem „Vorberg“, also dem Vorgebirge. „Op dem Maat, op dem Maat, stonn die Buure“, heißt es noch heute in einem bekannten Kölner Karnevalsschlager. Doch die Realität war für die Roisdorfer Bauern alles andere als lustig. Mitten in der Nacht mussten sie, wie ihre Berufskollegen vom ganzen Vorgebirge, einen mehrstündigen Fußmarsch antreten, um frühmorgens in Köln oder Bonn den Kunden ihre Ware anzubieten. Die Nachfrage aus den Städten wuchs ständig, denn insbesondere nach der Reichsgründung 1871 war die Einwohnerzahl der Städte durch die Gründung zahlreicher Gewerbe- und Industriebetriebe auch im Rheinland erheblich gestiegen. Auf den bäuerlichen Familien lag eine große Belastung. Der damalige Alfterer Dechant Bergené sprach von der „Marktgängerei“ als dem „Krebsübel, an dem unsere Familien kranken“. Dechant Bergené ergriff 1920 die Initiative, um die Lebenssituation seiner Gemeindemitglieder in entscheidendem Maße zu verbessern. Da die Situation der Alfterer Bauern aufgrund der Entfernung zum Roisdorfer Bahnhof noch schwieriger war, brachte Bergené 70 Alfterer Bauern zusammen, mit denen er am 4. Juni 1920 im Haus Höckling in Alfter die „Absatz- und Bezugsgenossenschaft Vorgebirge e.G.m.b.H.“ gründete. Dahinter steckte die Idee, dass nicht mehr der Erzeuger die Ware zum Abnehmer transportieren sollte. Vielmehr kamen nun die Händler aus den Städten nach ins Vorgebirge, um auf einem gemeinsamen Markt die Produkte von den Bauern zu kaufen – der beschwerliche Marktgang konnte somit entfallen und die Erzeuger hatten durch die konzentrierte Vermarktung einen gewissen Einfluss auf die Warenpreise. Auf Grund der besseren Verkehrsanbindung verlegte man das „Määtche“ bald nach Roisdorf in die Nähe des Güterbahnhofs bzw. der Landstraße zwischen Köln und Bonn.

Anlieferung der Waren durch die Bauern des Vorgebirges Güterbahnhof

Nach harten Anfangsjahren entwickelten die Genossen die Absatzwege für das hochwertige Vorgebirgsobst und -gemüse stetig weiter. Zur Erschließung neuer Kundenkreise wurde z. B. 1926 auf dem Essener Großmarkt ein ständiger Verkaufsstand eingerichtet, der sich aufgrund der hohen Nachfrage im Ruhrgebiet sehr erfolgreich entwickelte. Das Jahr 1929 brachte für die „Genossenschaft Vorgebirge“ eine wegweisende Neuerung: Nach niederländischen Vorbild installierte die Geschäftsleitung des aufstrebenden Betriebes unter ihrem legendären Geschäftsführer Walter Baumann eine Versteigerungsuhr nach niederländischem Vorbild. So wurden die verschiedenen Produkte nunmehr öffentlich an den Meistbietenden versteigert, was den hiesigen Bauern angemessenere Preise sicherte. Ebenfalls 1929 entstanden die ersten Gebäude der mittlerweile unter dem Namen „Kreis- Obst- und Gemüseversteigerung“ agierenden Genossenschaft, die in den folgenden Jahrzehnten das Bild des Roisdorfer Güterbahnhofs prägen sollten.

Die erste Versteigerungsuhr, ca. 1935

Das neue System sicherte der „Versteigerung“ enormen Aufschwung. Ältere Roisdorfer mögen sich noch an die langen Reihen von Pferde- und Traktorfuhrwerken erinnern, die die Bonner Straße und den Herseler Weg säumten. Bauern aus dem ganzen Vorgebirge warteten mehr oder weniger geduldig darauf, ihre Waren zum öffentlichen Verkauf in Roisdorf abliefern zu können. Um den dadurch regelmäßig entstehenden Stau zu verringern, schufen die Genossen 1957 einen großen Sammelplatz, wo alle Erzeugnisse schon einmal vorab bewertet und in Handelklassen eingeteilt wurden. Anschließend fuhren die Wagen in die Versteigerungshalle. Ein Verkaufsleiter stellte die angebotenen Waren vor, zeigte eine Kostprobe und nannte den Verkaufspreis. Dieser leuchtete an der Versteigerung auf, die dann stetig abwärts zählte. Die Einkäufer auf der Tribüne konnten mittels eines Schaltknopfes die runterzählende Uhr anhalten – und hatten dadurch die Ware zu dem aktuell angezeigten Preis gekauft. Die Einkäufer unterhielten an der „Versteigerung“ eigene Boxen, in denen die erworbenen Produkte dann bis zum Abtransport eingelagert werden konnten. Diese Verkaufsform, strenge Qualitätskontrollen und eine einheitliche, sichere Verpackung für die leicht verderblichen Waren wurden die Eckpfeiler des Erfolgs für den Roisdorfer Genossenschaftsbetrieb, der seinen Umsatz jedes Jahr beträchtlich steigern konnte.

Obst- und Gemüseversteigerung, 1950er Jahre

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den die „Genossenschaft Vorgebirge“ weitgehend unbeschadet überstanden hatte, konnte nach der Lebensmittelzwangsbewirtschaftung im Jahre 1948 wieder Obst und Gemüse versteigert werden. Die „Wirtschaftswunderjahre“ waren, wie die Vorkriegszeit, von stetigem Wachstum und ständiger Erweiterung der Raumkapazitäten geprägt. Neben neuen Kühl- und Lagerhäusern förderten auch eine verbesserte Versteigerungsanlage und –Tribüne die Umsätze. Längst verkaufte die „Versteigerung“ nicht mehr nur heimische Erzeugnisse, sondern auch andere landwirtschaftliche Produkte aus aller Welt. Für ihr erfolgreiches Geschäftsmodell wird der Betrieb bis heute vielfach gerühmt und von Delegationen aus aller Welt besucht. Die Konzentration auf dem Agrargütermarkt ging jedoch auch an Roisdorf nicht spurlos vorbei. Um die eigene starke Marktstellung weiter ausbauen zu können, erfolgten Zusammenschlüsse mit weiteren Handelsgenossenschaften aus der Region, vom Niederrhein und aus anderen Teilen Deutschlands bzw. den Niederlanden. Das Gesamtunternehmen unter dem heutigen Namen „Landgard“ ist als „Global Player“ mit einem Gesamtumsatz von ca. 700 Millionen € zukunftssicher aufgestellt, auch wenn der traditionsreiche Versteigerungsbetrieb mit der berühmten Uhr in Roisdorf inzwischen sein Ende gefunden hat.

Werbung für einen Ausflug ins Vorgebirge: Ansichtskarte der Gastwirtschaft Rech

Doch zurück zu den beiden Bahnen, die Roisdorf bis heute mit den großen Nachbarstädten verbinden. Sie brachten nämlich nicht nur die Waren aus unserem Ort hinaus, sondern vielmehr auch Erholungssuchende aus den Städten nach Roisdorf und die anderen Vorgebirgsorte. Durch die ab Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt entstandenen Obstkulturen war das Vorgebirge, wenn die Bäume blühten, ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner der nahen Metropolen. In großer Zahl besuchten sie am Wochenende die Ortschaften am Vorgebirgshang, man „fuhr in die Baumblüte“. Die Roisdorfer Gastronomie, die die Besucher verpflegte, profitierte davon. Das Bürgermeisteramt registrierte im Jahre 1898 acht Gaststätten und Schankwirtschaften in Roisdorf – und das bei rund 1.700 Einwohnern. Durch die Veränderung der Freizeitgewohnheiten ist dieser Wirtschaftsfaktor in der Bedeutungslosigkeit versunken und unser Heimatort ist leider momentan trotz seiner Schönheiten kein Touristenmagnet mehr. Bis heute leistet aber die gute Anbindung an die Netze der Deutschen Bahn und des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität in Roisdorf und dürfte für den starken Zuzug der vergangenen Jahrzehnte mit verantwortlich sein.

Das moderne Gebäude der Volksbank Bonn Rhein-Sieg, errichtet Ende der 1990er Jahre

Wichtige Grundlage für eine geordnete wirtschaftliche Entwicklung ist bekanntlich ein solides Bankenwesen. Nach den Vorstellungen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gründeten Ende des 19. Jahrhunderts hiesige Bürger den „Roisdorfer Darlehenskassenverein eGmbH“ auf genossenschaftlicher Grundlage, der am 28. April 1896 eingetragen wurde. Unter den Gründungsmitgliedern befanden sich die Namen vieler Familien, die auch heute noch in unserem Ort angesiedelt sind. Vertreten waren verschiedene Berufsgruppen, Land- und Gastwirte, Handwerker, Angestellte, aber auch Hauptlehrer Heister und Pfarrer Heilgers, der die Mitgliedschaftsnummer 1 erhielt und sogleich Aufsichtsratsvorsitzender wurde. Durch entschlossenes Handeln entstand so ein Stützpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung Roisdorfs, denn aus dem „Darlehenskassenverein“ ging später die Raiffeisenbank Roisdorf hervor. Nach einigen Fusionen, von denen der 1976 erfolgte Zusammenschluss mit der Raiffeisenbank Waldorf der bedeutendste war, entstand schließlich die „Raiffeisenbank Vorgebirge“. Diese kam schließlich 1998 zur Volksbank Bonn Rhein-Sieg. Wer heute die moderne Roisdorfer Geschäftsstelle dieses Unternehmens mit seiner Bilanzsumme von über zwei Milliarden Euro betrachtet, mag kaum glauben, dass in früheren Jahren die Bankgeschäfte in den Privaträumen des jeweiligen Rendanten getätigt wurden. Im Hause des langjährigen Rendanten Zimmermann in Roisdorf erfolgte die Kundenbedienung durch eine kleine Durchreiche mit Schiebetürchen, was der Raiffeisenbank den Spitznamen „et Käschen“ einbrachte. Nach einem Intermezzo im heutigen Haus Reiffert erfolgte 1967 der Umzug an den jetzigen Standort an der Siegesstraße, der nach und nach ausgebaut und Ende der 1990er Jahre mit der Fertigstellung des neuen Bankgebäudes gekrönt wurde.

Benzinbad Ferster, Ende 1950er Jahre

Die Erfolgsgeschichte der Raiffeisenbank lässt den Betrachter staunen. Blickt man jetzt zurück zur eben erwähnten Firma Gammersbach, muss man feststellen, dass ihr kein so günstiges Schicksal beschieden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich das einst so stolze Unternehmen nicht mehr richtig etablieren. Im Jahre 1951 meldete der General-Anzeiger die Entlassung von 150 Arbeitern. Letztendlich schloss das Haus 1953 für immer seine Tore. Von den Glanzzeiten des bis heute größten Arbeitgebers in Roisdorf künden nur noch die ehemaligen Fabrikgebäude und, natürlich, die Villa Gammersbach. Im Jahre 1908 im Stil der Zeit erbaut, ist der schöne Wohnsitz der Industriellenfamilie immer noch stummer Zeuge des beginnenden Industriezeitalters in Roisdorf.

Der Niedergang der Lederfabrik Gammersbach, mit der sich viele Roisdorfer identifizierten, ruft bei manch einem noch heute Bedauern hervor. In der Folge siedelten sich hier verschiedene kleinere Unternehmen an. Mancher mag sich beispielsweise noch an das Benzinbad Ferster erinnern, das hier Textilien reinigte, oder auch an die Rechenmaschinenfabrikation „Summira“ der Familie Müller, die hier kleine mechanische Wunderwerke herstellte. Später folgten weitere Unternehmen aus wechselnden Branchen. Heute befinden sich in dem weitläufigen Komplex u. a. das Jugendamt der Stadt Bornheim, ein Postverteilerzentrum, ein Elektrofachgeschäft und verschiedene andere Betriebe.

Im vormaligen Margarethensaal fabrizierte die Fa. Pleuser ihre "lackierten Russen".

Die Wirtschaft unseres Heimatortes entwickelte sich also stetig weiter. Gerade in den Jahren des sogenannten „Wirtschaftswunders“ entstanden in Roisdorf Unternehmen, an die heute kaum noch jemand denkt und die teilweise ungewöhnliche Waren produzierten. Diese Entwicklung setzte sich bis in die heutige Zeit fort. Es würde den Rahmen dieser Festschrift sprengen, die vielen hiesigen Unternehmen und ihre Geschichte zu schildern – die Vielfalt mag sich aus den zahlreichen Werbeanzeigen erschließen. Daher können wir im Folgenden nur einige Beispiele zeigen, die aus dem ein- oder anderen Grund eine Besonderheit unserer heimischen Wirtschaftsgeschichte darstellen.

„Lackierte Russen kommen aus Roisdorf“ lautete 1952 ein Artikel in der hiesigen Presse. Gemeint waren damit die Erzeugnisse der Fa. Pleuser. Dieses ursprünglich in Köln angesiedelte Traditionsunternehmen hatte aufgrund der Kriegszerstörungen seine Betriebsstätte in den Roisdorfer Margarethensaal verlegt. Die dort erzeugten Mützen- und Sonnenschirme fanden in der ganzen Welt Absatz. Bis nach Brasilien oder an den persischen Golf exportierte Pleuser seine in Roisdorf hergestellten Waren. „Lackierter Russe“ ist übrigens der Fachbegriff für einen besonders aufwendig hergestellten Mützenschirm, wie ihn die russischen Soldaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts trugen. Leider verlegte die Fa. Pleuser ihren Sitz bereits 1953 nach Köln-Bickendorf und Roisdorf wurde um einen spezialisierten Betrieb ärmer.

Verkaufswagen der Strickerei Peter Batta

Ein anderes Roisdorfer Unternehmen, das bereits seit 1928 produzierte, konnte seinen Markterfolg in den 1950er Jahren ausbauen, nämlich die Strickerei Peter Batta. Der Firmengründer hatte seinen kleinen Textilhandel nach und nach zu einer kleinen Fabrik ausgebaut, die in der Brunnenhöhle erfolgreich Gebrauchtextilien, Arbeitsbekleidung usw. produzierte. Speziell die robusten Arbeitswesten aus dem Hause Batta waren bei der Kundschaft aus dem landwirtschaftlichen Bereich noch bis in die 1970er Jahre äußerst beliebt: „Ob Norden, Süden, Osten, Westen: Battas Westen sind die besten!“

Am oberen Bildrand die ehemalige "Rheinische Matratzenfabrik", später dort der "Suti-Markt"

Dort, wo man heute an der Schumacherstraße umfangreiche Einzelhandelshäuser sieht, etablierte sich in den 1950er Jahren die „Steppdeckenfabrik Rheinland“. Allerlei Dinge wie Decken, Matratzen usw. wurden hier hergestellt und in ganz Europa vertrieben. Später beherbergte das Gebäude den „Suti-Markt“, der von vielen Roisdorfern gerne als Einkaufsmöglichkeit genutzt wurde. Durch Neubauten wurde das Gelände im Laufe der Zeit gravierend umgestaltet und entwickelte sich zu einem beliebten Einkaufszentrum. Betrachtet man die Außenaufnahme der „Steppdeckenfabrik“, kann man kaum glauben, dass an diesem Gelände möglicherweise in absehbarer Zeit ein hochmodernes Waren- und Dienstleistungszentrum mit einer Verkaufsfläche von über 10.000 m3 entstehen soll.

Rathaus Bornheim, 1970

Ein weiterer Arbeitgeber in Roisdorf wird schnell übersehen. Das Rathaus der Stadt Bornheim, seit 1969/70 auf Roisdorfer Gebiet ansässig, damals noch inmitten von Äckern und Feldern, beschäftigt hier rund 300 Verwaltungsmitarbeiter. Zu Recht kann Roisdorf von sich behaupten, dass von hier die Geschicke der Gemeinde, ab 1981 der Stadt Bornheim gelenkt wurden bzw. werden.

Blick auf das Gewerbegebiet "Bornheim Süd" vom Roisdorfer Hang aus, 2014

So wie vor 160 Jahren die gute Verkehrsinfrastruktur ein Argument für die Lederfabrik Gammersbach war, gerade nach Roisdorf zu ziehen, so ist auch heute eine gute Anbindung an die modernen Verkehrswege ein überzeugendes Argument für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen. Roisdorf und die Stadt Bornheim verfügen allein schon durch ihre günstige Lage in der Nähe der Metropolen über einen echten Standortvorteil. Seitdem dieser wertvolle Faktor von den politischen Entscheidungsträgern erkannt wurde, begann insbesondere für Roisdorf der Einstieg in ein neues Wirtschaftszeitalter. Die Erschließung des „Gewerbegebietes Süd“, das sich größtenteils in unserer Ortschaft befindet, begann 2000/2001. Die Einrichtung der Autobahnabfahrt Bornheim der A555 im Jahr 2003 brachte schließlich den Durchbruch. Innerhalb von gut zehn Jahren ist in drei Bauabschnitten ein modernes Zentrum für die unterschiedlichsten Betriebe entstanden. Als „Leuchtturm“ der Stadt Bornheim finden sich hier Handelsunternehmen aus vielfältigen Bereichen, etwa der Baubranche, aus dem Dienstleistungssektor, dem Einzel- und Fachhandel, aber auch Logistik- und klassische Handwerksbetriebe. Nicht zu vergessen natürlich auch die Freizeitbranche, die mit ansprechenden Gastronomie- und Unterhaltungsbetrieben einen hohen Freizeitwert für die gesamte Stadt Bornheim garantiert. Eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft vermarktet professionell die Grundstücke im mehr als 500.000 m3 großen „Gewerbegebiet Süd“. So gelang es, zahlreiche Unternehmen anzusiedeln und Roisdorf zu einem in der gesamten Region bekannten Wirtschafts- und Einkaufsstandort zu machen. Wenn man die Stadt Bornheim heute als wirtschaftlich aufstrebende Kommune wahrnimmt, ist diese Erfolgsgeschichte zu einem Gutteil „unserem“ Gewerbegebiet Süd in Roisdorf und den dortigen ca. 1.400 Arbeitsplätzen geschuldet.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Wirtschafts- und Unternehmensstruktur in Roisdorf heute von einem gesunden Mittelstand geprägt ist. Einerseits hat sich zwar hat sich die Zahl der kleinen, inhabergeführten Betriebe gerade im Bereich rund um die Brunnenstraße drastisch verringert. Dem stehen aber Groß- und Einzelhandelshäuser mit unterschiedlichsten Gütern, das ganze Spektrum der Dienstleistungsbranche und schlagkräftige Handwerksbetriebe gegenüber, die hier neben Unternehmen von internationalem Bekanntheitsgrad existieren. Einige der Firmen in unserem Ort werden seit vielen Jahrzehnten von denselben Familien geführt – in Roisdorf agieren also weitblickende Unternehmer wie auch treue Kunden.

In jüngster Vergangenheit entbrannte die Diskussion über den Ausbau des jetzigen Verbrauchermarktgeländes an der Schumacherstraße zu einem umfangreichen Waren- und Dienstleistungszentrum. Die von den Gegnern ins Feld geführte mögliche Verdrängung des örtlichen Einzelhandels zeigt zwei Dinge: Einerseits besteht in Roisdorf auch heutzutage eine so starke Kaufkraft, dass zahlreiche Unternehmen hier vor Ort um Kundschaft buhlen. Dieser Faktor sichert die Lebensqualität unserer Bürger vor Ort. Andererseits wird auch deutlich, dass ein starker Wettbewerb auch vor dem Roisdorfer Ortsschild nicht Halt macht und Unternehmen immer wieder neue Aufgaben lösen müssen, um weiter bestehen zu können. In den vergangenen mehr als 150 Jahren der Industrialisierung in Roisdorf ist das vielen hiesigen Betrieben gelungen – möge das für die momentan mehr als 500 Gewerbetreibenden unseres Heimatortes auch in Zukunft gelten.

Text: Christian Lonnemann