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St. Clara und ihr Roisdorfer Hof

Vom einem traditionsreichen Hof und seinem doppelten Untergang

Clara von Assisi

Die Besucher des Roisdorfer Pfarrheims kennen sicherlich das Gemälde, das an der südlichen Stirnwand des Pfarrsaales hängt. Es zeigt auf blau-grünem Grund das ganzfigurige Bildnis einer stehenden Frau, die das von einem goldenen Nimbus umfasste Haupt leicht nach rechts gewendet hat. Sie ist bekleidet mit einem braunen, mit einem groben Strick gegürteten Gewand, über das ein blassgrüner Umhang fällt. Ein blauer, weißgefütterter Schleier bedeckt Haupt und Schultern. In der rechten Hand hält sie mit edler Geste eine sechsblütige weiße Lilie. Wie das einfache Ordensgewand, die auf die Jungfräulichkeit der Dargestellten hinweisende Lilie und der Heiligenschein zusammen mit der Inschrift am unteren Rand erkennen lassen, handelt es sich um ein Bild der hl. Clara, der Begründerin des Klarissenordens.

Das Bild ist die getreue Kopie eines Freskos, das den Eingangsbogen zur Martinskapelle der Unterkirche von San Francesco in Assisi schmückt. Simone Martini, sicherlich der bedeutendste Vertreter der Malerschule von Siena, hat die Fresken der Martinskapelle in der Zeit vor dem Jahr 1317 gemalt. Ebenso wie die übrigen Fresken zeichnet sich auch das der hl. Clara durch zurückhaltende Vornehmheit und gelassene Ruhe aus, klingen in ihm die Feinheit der Zeichnung und die sinnliche Schönheit der verwendeten Farben zusammen. Bekanntlich ist die hl. Clara die Schutzpatronin unseres Pfarrheims - dies in Erinnerung an den Clarenhof, auf dessen Grund das Pfarrheim ebenso wie die Pfarrkirche, das Pfarrhaus und das Küsterhaus erbaut worden sind. Wer war nun aber diese Heilige und was hat sie mit dem nach ihr benannten Hof zu tun?

Geboren um das Jahr 1194 als Tochter eines Ritters in Assisi war Clara nicht den für ein Mädchen aus adligem Haus vorgezeichneten Lebensweg gegangen. Tief beeindruckt von der Buß- und Armutsbewegung des in ihrer Vaterstadt wirkenden hl. Franziskus schlug sie die vorgesehene standesgemäße Heirat aus und nahm sie stattdessen im Jahr 1212 aus der Hand des hl. Franziskus das Bußkleid mit Schleier und Gürtel entgegen. Gegen den erbitterten Widerstand ihres Vaters ließ sie sich bei der kleinen Kirche San Damiano vor den Toren von Assisi nieder, wo sie als Vorsteherin einer rasch wachsenden Schar von Gefährtinnen die Ideale der vollkommenen Armut in der Nachfolge Christi und der tätigen Nächstenliebe zu verwirklichen suchte. Bereits zu Lebzeiten hoch verehrt erschütterte ihr Tod im Jahr 1253 die damalige Welt. Papst Innozenz IV. nahm persönlich das Begräbnis vor, bereits zwei Jahre später wurde sie heiliggesprochen. Noch heute ist ihr Grab in der Kirche S. Chiara in Assisi das Ziel zahlreicher Pilger.

ehem. Klarissenkloster in Köln

Schon bald nannte man die Angehörigen des von Klara gegründeten 2. Ordens der Franziskaner „Klarissen“. Klöster dieses Ordens entstanden noch im Laufe des 13. Jahrhunderts auch in nördlich der Alpen gelegenen Städten. In Köln erfolgte die Gründung eines Klarissenklosters im Jahr 1304. Dem Wunsch seiner verstorbenen Gattin Richardis entsprechend schenkte damals Graf Gerhard von Jülich dem Orden ein Hofgut auf dem Berlich, d.h. an der Nordwestecke des römischen Mauerrings der Stadt. Noch im selben Jahr gaben Papst Benedikt IX. und der Kölner Erzbischof Wikbold ihre Zustimmung, dass drei oder vier Nonnen aus dem Klarissenkloster von Neuß in den neuen Konvent eingeführt wurden. Zwei Jahre später begann man mit der Errichtung der Klostergebäude, die im Jahr 1347 mit der Weihe der Klosterkirche zum Abschluss gebracht werden konnte. Zu den Neußer Nonnen stießen Töchter aus stadtkölnischen Bürgerfamilien, vor allem aber Töchter aus adligen Familien der näheren und weiteren Umgebung. Sie trugen durch ihre Mitgiften dazu bei, dass der Grundbesitz des Klosters sich rasch vermehrte. So schenkte zum Beispiel auch der Ritter Hermann von Roisdorf im Jahr 1349 dem Kloster, in dem seine Tochter Irmgard Aufnahme gefunden hatte, einen Morgen Weingarten in Bornheim.

Dach des Clarenhofs unterhalb der Burg Metternichsberg, 1730er Jahre

Am 16.6.1335 tat Cunigunde, die Witwe des Hermann von Metternich kund, dass sie gemeinsam mit Heinrich, Johann, Lodewich, Hermann, Arnold, Kathryn - einer Nonne - und Nesa, ihren Kindern und Erben, der Äbtissin des Konvents der hl. Clara zu Köln den "Hoff zu Roistorp" mit 100 Morgen Ackerland, 8 Morgen Weingarten und 50 Morgen Busch für 100 Mark in Kölnischen Pfennigen verkaufe. Zeuge dieses Verkaufs war u.a. Hermann von Roisdorf. In einer weiteren Urkunde vom 11.8.1351 bestätigte Cunigunde diesen Verkauf, der, wie weiter mitteilt wird, an der Linde zu Roisdorf, auf der Gemeinen Straße, wo man gewöhnlich Recht sprach, vollzogen wurde.

Damit wird der Clarenhof, also Roisdorfer Hof des Kölner Klarissenklosters, fassbar, von dem das Kloster fortan Einkünfte beziehen sollte. Die Familie von Metternich, die den Hof verkaufte, war eng verwandt mit den Alfterer Herren - Kunigunde war eine Schwester des Marschalls Johann von Alfter -, und besaß sie wohl bereits damals auf dem sog. "Metternichsberg", an der Stelle des heutigen Haus Wittgenstein, eine Burganlage. Ebenso gehörte der Familie damals das "Brucher Haus", die spätere Wolfsburg, auf der, wie eine Güterbeschreibung von 1468 mitteilt, das Kloster St. Clara für seinen Roisdorfer Hof "gelden", also bestimmte Abgaben zu leisten hatte.

Die Nonnen bewirtschafteten den Roisdorfer Clarenhof indes nicht selbst, vielmehr überließen sie dies Bauernfamilien, die den Hof jeweils für 12 Jahre pachteten, und die man als Halbwinner oder Halfen bezeichnete. Aus den ersten Jahrhunderten sind die Nachrichten hierüber noch spärlich. So pachtete im Jahr 1478 eine gewisse Greta Schultheiß drei Morgen von dem zum Roisdorfer Hof gehörenden Land. Aus dem Jahr 1599 aber hatte sich der Pachtvertrag des Klosters mit einem Ehepaar namens Hermann und Catharina Quester erhalten, die sich verpflichteten, jährlich die Hälfte der Weinernte dem Kloster zu liefern, ebenso 9 Malter Roggen sowie zwei Wagenladungen Weinbergspfähle nach Köln und 16 Bund Pfähle nach Bonn, die für die dortigen Weingärten von St. Klara bestimmt waren.

Mitglieder der Familie Jüssen und Mägde, 1920er Jahre

Für das Jahr 1634 werden die Erben des Clarenhalfen Johann Schmitz genannt, wobei der Hof 130 Morgen Land, 1 Morgen Wiese und 3 Morgen Wingert umfasste. Genauer sind wir über die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts unterrichtet. Es erscheint hier eine Familie Cronenberg als Halbwinner, wobei sich der Name der Familie jeweils durch Einheirat im Laufe des Jahrhunderts zu Kuhl und Bergerhausen änderte. Streitigkeiten über rückständige Pachtzahlungen führten dann jedoch in den 80er Jahren dazu, dass das Kloster mit Wilhelm Jüssen und seiner Frau Christine Wirtzfeld eine neue Halbwinnerfamilie verpflichtete. Michael Bergerhausen musste den Hof räumen. Er strengte bei dem Geistlichen Hofgericht zu Köln einen Prozess gegen das Kloster an, blieb damit aber erfolglos. In dem Pachtvertrag mit Jüssen aus dem Jahr 1795 wurde festgelegt, dass die jährlichen Abgaben aus 20 Malter Roggen bestehen sollten. Zudem musste Jüssen ein Schwein im Wert von 8 Reichstalern, Öl für 2 Reichstaler, ein Kalb, zu Ostern 200 frische Eier und im Mai frische Butterwecken nach Köln liefern. Dazu kamen 2000 Weinbergspfähle, Bohnenstangen und Erbsenreiser aus dem klösterlichen Wald, doch wurde Jüssen auch erlaubt, sein Brennholz aus diesem Wald zu holen. Die Weinernte musste wiederum zwischen Kloster und Pächter geteilt werden.

Wie groß damals die zum Clarenhof gehörenden Ländereien waren, geht aus einem wenige Jahre später von dem Roisdorfer Ortsvorsteher Lambert Schmitz angelegten Verzeichnis hervor: Ihm zufolge bestanden sie aus 110 Morgen Ackerland, 1 Morgen und 1 Viertel Weingarten, 3 Vierteln Wiesen und 32 Morgen Wald. Damit war das Kloster St. Klara mit Abstand der größte geistliche Grundherr in Roisdorf: Es folgten, was das Ackerland anbetrifft, das Bonner Stift St. Cassius und Florentius (Münster) mit 60 Morgen, das Alfterer Kloster St. Anna mit 36 Morgen und das Bonner Kloster Dietkirchen mit 28 Morgen.

Clarenhof, 1950er Jahre

Wilhelm Jüssen sollte allerdings der letzte Pächter des Clarenhofes sein. Wie alle rheinischen Klöster und Stifte wurde auch St. Klara zu Köln im Jahre 1802 aufgelöst. Gebäude und Landbesitz wurden von der französischen Domänenverwaltung öffentlich versteigert. Jüssen nutzte diese Chance und erwarb den Clarenhof im Jahr 1804 als Eigentum. Im Besitz der Familie Jüssen, die man noch im 20. Jahrhundert als "Cloarehalefe" bezeichnete, sollte der Hof bis in unsere Tage bleiben.

Clarenhof, 1960er Jahre

Das Ende des Clarenhofs kam Anfang der 1970er Jahre. Schon bald nachdem man im Jahre 1970 beschlossen hatte, die baufällig gewordene Roisdorfer Pfarrkirche nicht mehr wieder herzustellen, sondern einen Neubau an anderem Ort zu errichten, trat der Kirchenvorstand in Verhandlungen mit dem Vermögensverwalter des Clarenhofs über den Kauf des Hofgeländes ein. Man verständigte sich mit ihm und der Gemeinde Bornheim darüber, dass die Zivilgemeinde den gesamten Besitz übernehmen und der Pfarrgemeinde den für den Neubau benötigten Grund verkaufen sollte. 1972 wurden so die z.T. jahrhundertealten Gebäude des Clarenhofs, bestehend aus Wohnhaus, Stallungen, Scheune und Gesindehäusern niedergerissen - aus heutiger Sicht ein unersetzlicher Verlust für unser Dorf!

Rückseite der Gesindehäuser des Clarenhofs vor dem Abbruch, 1970

Einen zweiten Tod starb der Clarenhof im Jahre 2009: Umfangreich waren die Schriftstücke, die sich aus der vielhundertjährigen Geschichte des Hofes erhalten hatten, insbesondere Pachtverträge und Prozessakten. Aufbewahrt wurden sie, wie auch die anderen Archivalien des ehemaligen Klarissenkonvents, im Kölner Stadtarchiv. Mit diesem zusammen sanken sie am 3. März 2009 in den Kölner Untergrund. Angeblich wurden die Archivalien der Kölner Klöster und Stifte zum großen Teil geborgen. Sie wieder benutzbar zu machen, dürfte wenigstens jahrzehntelange Arbeit erfordern. So lange wird es jedenfalls nicht möglich sein, die Geschichte des Hofes weiter zu ergründen.

Pfarrheim St. Clara 2012

Tröstlich ist jedoch, dass damit die mehr als 600jährige Tradition des Clarenhofs nicht gänzlich erloschen ist. Mit dem Entschluss, das in den 1980er Jahren errichtete Pfarrheim nach der hl. Clara zu benennen, bewahrte man die Erinnerung an den alten Hof. Erfreulich ist es aber zu werten, das mit der Rückbesinnung auf die hl. Clara für unser Dorf eine neue Schutzpatronin gewonnen werden konnte, deren schönes Bild im Pfarrsaal nicht nur als Schmuck und Andenken, sondern vor allem als Anregung zum Gebet um die Fürsprache dieser großen Heiligen verstanden werden sollte.

Seit Mai 2015 erinnert zudem eine Informationstafel vor dem Eingang der Pfarrkirche, also am ehemaligen Standort, an den traditionsreichen, zweimal untergegangenen Hof.