Kalender 2017
"Roisdorf wie es war"
Titelbild
Ein ähnliches Bild des umfangreichen Komplexes der „Gerberei, Lederlackir und Militaireffekten-Fabrik“ des Franz Wilhelm Gammersbach wurde bereits vor ein paar Jahren in diesem Kalender präsentiert. Bei der hier vorgestellten Version handelt es sich aber nicht nur um einen Briefkopf, sondern eine Werbekarte, die wesentlich mehr Details präsentiert. So lassen sich hier auch Teile des Produktionsprozesses erkennen, die sonst nicht zu sehen sind. Im Vordergrund etwa die in Rahmen zum Trocknen ausgespannten Rinderhäute samt den zugehörigen Gebäuden, die ein paar Jahrzehnte später – bis auf einige backsteinerne Kellergewölbe – abgerissen und durch die Gammersbacher Villa und anderes ersetzt wurden. Besonders schön auch an der Ecke Bonner Straße/ Brunnenallee noch zu erkennen: Das repräsentative ehemalige Kurhaus aus den 1840er Jahren, das nur wenige Jahre als solches gedient hatte, bevor man es in die neuen Fabrikanlagen einbezog.
Januar
Heute ist kaum mehr zu erahnen, wie sehr einst das sog. „Dorf“, also die Brunnenstraße, von der sog. „Bahn“, also der Bonner Straße, durch ausgedehnte wasserreiche Gebiete getrennt wurde. Diese zogen sich von der Alfterer Grenze bis zum Brunnen bzw. Brunnenweiher hin, und auch die vom „Mühlenbach“ und anderen Bächen durchflossene sog. „Lüste“ (der ehemalige Lustgarten des Brunnens) war ein sehr feuchtes Gelände. Das sog. „Lüüsch“, sprachlich vielleicht von frz. „palus“ (Sumpf) abzuleiten, setzte sich von der Siegesstraße fort bis zur ehemaligen Wasserburg Wolfsburg, der sich die bis nach Bornheim reichenden, schließlich allmählich verlandenden ehemaligen Fischteiche des „Alten Weihers“ anschlossen. All diese „wasserreiche Flur“, wie sie im 19. Jahrhundert in der „Ballade von der Wolfsburg“ besungen wurde, verschwand im Laufe des 20. Jahrhunderts – heute würde man sie vielleicht als wertvolles Feuchtbiotop schützen. Unser stimmungsvolles Winterbild bietet den Blick über das halb zugefrorene Lüüsch auf das Stellwerk der KölnBonner-Eisenbahn am Übergang der Brunnenallee.
Februar
„Wenn ich ens gruss senn, dann hamme ne Prinz!!“ – auch wenn die jungen Mädchen, die in den späten 1960er Jahre als Mitglieder der Kindertanzgruppe des Damenkomités „Germania“ im Karnevalszug mitgehen, inzwischen nicht nur groß, sondern wahrscheinlich längst Großmütter sein dürften, hat sich der von der Gruppe geäußerte Wunsch nach einem Roisdorfer Karnevalsprinzen bis heute nicht erfüllt – und er wird dies aller Voraussicht nach auch nie tun, ist die Roisdorfer Tradition doch die des Wieverfastelovends, was seinen Ausdruck seit 1974 darin findet, dass eine einzelne Prinzessin die Jeckenschar regiert. „Wo en Prinzessin keene Prinz bruch“ heißt es entsprechend in einer Strophe des zum 900-jährigen Jubiläum Roisdorfs geschaffenen Liedes. Das Schild mit dem Wunsch, der sich so nicht erfüllt hat, sieht man auf einem von Liesel Pütz geschobenen Kinderwagen montiert. „Keulesch Liss“, wie man sie im Dorf besser kennt, hatte die Kindertanzgruppe 1960 ins Leben gerufen und leitete sie zehn Jahre lang erfolgreich – ein echtes Roisdorfer karnevalistisches Urgestein, das dem Frohsinn bis heute im hohen Alter verbunden geblieben ist. Legendär und unvergessen auch ihre Auftritte als einer der beiden „Wildecker Herzbuben“ in den 1990er Jahren.
März
Bereits seit 10 Jahren stand sie leer und verfiel zusehends: Die Pfarrkirche St. Sebastian, ein stattliches, 1876 geweihtes Gotteshaus, für dessen Bau die Roisdorfer weniger als ein Jahrhundert zuvor viele Mühen auf sich genommen hatten. In der Zeit nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde es jedoch als liturgisch und stilistisch nicht mehr zeitgemäß empfunden, so dass man es 1969 als nicht mehr lohnend erachtete, die Kirche zu renovieren, vielmehr statt ihrer auf dem Gelände des vormaligen Clarenhofs ein modernes und zweckmäßiges Pfarrzentrum zu errichten. Im März 1980 schlug die Abrissbirne unbarmherzig in den kunstvollen Chor der alten Kirche ein. Einige Kapitelle, die den Sturz in die Tiefe überstanden, wurden geborgen, ebenso Backsteine, die man für den Bau des neuen Pfarrheims zu verwenden trachtete, der Rest des Mauerwerks kam auf die Deponie. Seit 1969 hatte sich indes das Verhältnis zu historistischer Architektur geändert: So blieb der Kirchturm nicht nur erhalten, sondern wurde er zu einem vollständigen Gebäude im Stil angeglichen ergänzt und einige Jahre später aufwändig restauriert.
April
Die Roisdorfer Pfarrkirche hatte die Kriegsjahre mit geringen Beschädigungen überstanden. Als man in den Jahren 1947/48 daranging, das Innere der Kirche umzugestalten, so war dies vor allem von dem Bestreben bestimmt, einen zeitgemäßen Rahmen für die Feier der Liturgie zu schaffen. Die polychrome historistische Ausmalung und ebenso die hochaufragenden neuromanischen Altaraufbauten des späten 19. Jahrhunderts wurden als unpassend empfunden und beseitigt. Hinter dem Hauptaltar wurden nun fünf halbrunde, bislang von einem Vorhang verdeckte Nischen sichtbar. Mit deren Ausschmückung beauftragte man den Kölner Architekten Hans Hansen. Unser Bild zeigt seinen Entwurf für eine der Nischen, versehen mit der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Sequenz vom Ostersonntag: „Singt das Lob dem Osterlamme/, Bringt es ihm dar, ihr Christen./ Das Lamm erlöst’ die Schafe:/ Christus, der ohne Schuld war,/ Versöhnte die Sünder mit dem Vater.“ Tauben, alttestamentliche Versöhnungssymbole, verehren das Kreuz als Erlösungszeichen, Schafe streben dem in der zentralen Nische als Mosaik dargestellten Apokalyptischen Lamm zu. Mit dem Abriss der alten Pfarrkirche 1980 wurde leider auch diese schöne Darstellung zerstört.
Mai
In früheren Zeiten war es üblich, sich jeden Morgen knusprige Brötchen frei Haus liefern zu lassen. Hierzu standen den Roisdorfern gleich mehrere Bäckereien bzw. Konditoreien bereit: Auf der Bonner Straße die Bäckereien Landsberg, Ernst und Kraus, in der Brunnenstraße die Bäckereien Rott – die es heute noch gibt – und Romes, deren Auslieferungswagen unser Bild zeigt, samt dem jungen Edmund Jüssen, der das wohl zum Clarenhof gehörende Kutschpferd führte. Johann Romes, aus dem Eifelort Wimbach stammend, hatte die Bornheimerin Löhrer geheiratet und gegenüber der Roisdorfer Dorfschule um die Jahrhundertwende seine „Brot & Feinbäckerei“ gegründet. Von Johann Romes sollte die Bäckerei indes nicht auf den Sohn Gerhard übergehen, der im Zweiten Weltkrieg fiel, sondern im Jahre 1952 auf Sohn Wilhelm, dessen Bonner Bäckerei in der Meckenheimer Straße den Bomben zum Opfer gefallen war und der nun nach Roisdorf umzog. Die Familie Romes betrieb ihre später zum Lebensmittelgeschäft ausgebaute Bäckerei bis in die 1980er Jahre.
Juni
Impele, Krükele, Erbele, Brömele, Jansdruve ... (Himbeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren …) Beerenfrüchte gediehen und gedeihen im fruchtbaren Vorgebirge stets aufs Trefflichste. Ihre Kulturen hatten seit dem Verschwinden des Weinbaus im 19. Jahrhundert die Hänge oberhalb von Roisdorf erobert. Besonders günstig war es für die Roisdorfer, dass man ab den 1920er Jahren keine langen Wege auf sich nehmen musste, um die Körbchen mit den leckeren und leicht verderblichen Früchten in der Obst und Gemüseversteigerung vor Ort zu vermarkten und dabei „joot jet ze lüüse“ (zu erlösen). Zu recht stolz auf ihre reiche Ernte zeigt sich auf unserem Bild die Familie Engels aus dem Oberdorf.
Juli
Am 29. November 1962 war es endlich so weit: In einem feierlichen Akt konnte die auf dem Gelände zwischen der ehemaligen Lederfabrik Gammersbach und dem Brunnenpark neuerbaute Roisdorfer Volksschule eingeweiht werden. Statt der beengten und in jeder Hinsicht veralteten Verhältnisse, wie sie in der düsteren Schule in der Brunnenstraße geherrscht hatten, verfügte man nun über acht helle und großzügige Klassenräume, die für die zahlreichen Schüler der geburtenstarken Jahrgänge ausreichten. Die engagierten jungen Lehrerinnen und Lehrer hatten sich indes um Klassen zu kümmern, die bisweilen mehr als 50 Kinder umfassten. Um den bewährten Rektor Josef Görtz herum, der schon seit 1929 in Roisdorf wirkte, posiert vor dem Eingangsportal des schicken neuen Schulgebäudes das Lehrerkollegium. Herausfinden konnte die Kalenderredaktion bisher die Namen Hans Grugel, Gisela Meurer (später Maucher), Monika Wefers, Liselotte Thiebes und Karl-Heinz Krahn. Uns die Namen der beiden anderen „Fräuleins“ mitzuteilen, sind die Benutzer des Kalenders herzlich aufgerufen
August
Am 29. November 1962 war es endlich so weit: In einem feierlichen Akt konnte die auf dem Gelände zwischen der ehemaligen Lederfabrik Gammersbach und dem Brunnenpark neuerbaute Roisdorfer Volksschule eingeweiht werden. Statt der beengten und in jeder Hinsicht veralteten Verhältnisse, wie sie in der düsteren Schule in der Brunnenstraße geherrscht hatten, verfügte man nun über acht helle und großzügige Klassenräume, die für die zahlreichen Schüler der geburtenstarken Jahrgänge ausreichten. Die engagierten jungen Lehrerinnen und Lehrer hatten sich indes um Klassen zu kümmern, die bisweilen mehr als 50 Kinder umfassten. Um den bewährten Rektor Josef Görtz herum, der schon seit 1929 in Roisdorf wirkte, posiert vor dem Eingangsportal des schicken neuen Schulgebäudes das Lehrerkollegium. Herausfinden konnte die Kalenderredaktion bisher die Namen Hans Grugel, Gisela Meurer (später Maucher), Monika Wefers, Fräulein Thiebes und KarlHeinz Krahn. Uns die Namen der beiden anderen „Fräuleins“ mitzuteilen, sind die Benutzer des Kalenders herzlich aufgerufen
September
Angesichts des raschen Anwachsens der Roisdorfer Bevölkerung wurde Mitte des 19. Jahrhunderts die Sebastianuskapelle am Lindenberg zu eng, der Wunsch nach einer von Alfter unabhängigen Pfarrei immer lauter. Auf einer allgemeinen Volksversammlung gründete man daher am 26.8.1860 den sog. „Katholische Verein“, der den Zweck hatte, Mittel für eine Erweiterung der Kapelle oder den Neubau einer Kirche aufzubringen. Seine Mitglieder, die sich verpflichteten, wöchentlich einen Silbergroschen zu leisten, erhielten eine Urkunde, geschmückt mit dieser Darstellung des hl. Sebastian vor dem stilisiert wiedergegebenen Ort. Deutlich erkennt man als einzelne Gebäude die Wolfsburg und am Vorgebirgshang die Villa Wittgenstein. Die Roisdorfer brauchten noch viel Energie und Geduld, um ihre Interessen durchzusetzen. Immerhin gelang es im Jahre 1876, eine neuerbaute Kirche einzuweihen, die dann – ein Plan, den man 1860 angesichts zu erwartender Widerstände seitens des Alfterer Pfarrers noch nicht deutlich hatte aussprechen wollen – 1891 tatsächlich zur Pfarrkirche erhoben werden sollte.
Oktober
… lag die Roisdorfer Wolfsburg. Die Bebauung des unbefestigten Siefenfeldchens war noch spärlich und sollte sich erst in den 1960er Jahren entwickeln, der sog. „Wohnpark Wolfsburg“ und die Häuser der Freiherr-vom-Stein-Straße erst in den 1970er bis 1990er Jahren in der unmittelbaren Nachbarschaft entstehen. Auf unserem Bild ist, in weiter Entfernung, jenseits der Bonner Straße, jedoch schon die in der Nachkriegszeit erbaute Vertriebenensiedlung Mörnerstraße zu erkennen. Es mutete schon wie eine notwendige Abwehrmaßnahme gegen fremde moderne Bebauung an, dass der Eigentümer der Wolfsburg Wilhelm Rech im Jahre 2000 ein ebenso schmuckes wie stabiles Eisengitter um das ganze Anwesen zog, ein Anwesen, das heute nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, dessen restaurierte historische Gebäude statt inmitten von Äckern und Baumgärten nun innerhalb eines wohlgepflegten Parks gelegen sind.
November
Am 27.9.1891 wurde Joseph Heilgers als erster Roisdorfer Pfarrer eingeführt. Geboren 1841 in Buscherheide in der Selfkant, hatte Heilgers nach dem Studium in Bonn und Köln 1864 die Priesterweihe empfangen, auf die ein Vikariat in Asbach im Westerwald folgte. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 diente er freiwillig als Militärseelsorger im 8. Armeekorps und wurde insbesondere für die tapfere Bergung von Verwundeten mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, das er fortan stolz auf seiner Soutane trug. Zunächst Rektor an der Bonner Herz-Jesu-Kirche wurde er 1887 zum Rektor der noch von Alfter abhängigen Roisdorfer Filialgemeinde bestellt. Als Pfarrer erwarb er sich große Verdienste um den Aufbau des Gemeindelebens. Daneben widmete er sich aber auch schriftstellerischer und wissenschaftlicher Arbeit. So edierte die er Schriften des Gründers des Ordens der Spiritaner (Knechtstedener Missionare), François-Marie Libermann, brachte er eine „Weihnachtsgabe für Kinder“ mit Gedichten und Gebeten heraus. Tief betrauert verstarb er nach 24-jährigem Wirken in Roisdorf am 15.5.1911 infolge eines Schlaganfalls.
Dezember
Es war eine spontane Idee zu Beginn der Adventszeit 1993. Die zwei Jahre zuvor gegründeten „Heimatfreunde Roisdorf“ besannen sich des alten Brauchs, in der Weihnachtszeit in der Nachbarschaft aufgestellte Krippchen zu besuchen: Das 8. rheinische Sakrament, „Kreppche luere“. Eine besonders schöne Krippe pflegte nämlich alljährlich Peter Hack in seiner Garage im Ehrental aufzubauen. Es sollte sich doch wohl lohnen, diese nicht nur den Oberdorfern, sondern allen Bewohnern Roisdorfs zugänglich zu machen und dazu auch noch weitere sehenswerte Roisdorfer Hauskrippen zu präsentieren! Innerhalb von nur zwei Wochen und nachdem man sich bei der Bornheimer Krippenausstellung Anregungen geholt hatte, wurde die Idee im Pfarrheim St. Clara umgesetzt. Die Besucher bestaunten die ganze Vielfalt der großen und kleinen, alten und neuen Krippen, genossen dabei die adventliche Stimmung samt Kaffee und Kuchen sowie dem geheimnisvollen weißen Glühwein „Claretum“. Die Ausstellung war ein solcher Erfolg, dass sie wiederholt und in den folgenden Jahren zur festen Institution in Roisdorf werden sollte. Im Jahre 2017 ist es somit gar die 25. ihrer Art, eine wirkliche Bereicherung des örtlichen Brauchtums.