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Kalender 2009

"Roisdorf wie es war"

Titelbild

Die Wolfsburg – ein ländliches Idyll, 1890er

Als sommerliches ländliches Idyll präsentiert sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Wolfsburg. Zwar stimmen die Proportionen der dargestellten Gebäude nicht – das Torhaus ist im Verhältnis zum Haupthaus viel zu groß, die Scheune viel zu klein –, zwar ist die Malweise ungelenk und naiv, doch besticht das von P. Kievernagel 1895 gefertigte Ölbild durch die Wiedergabe zahlreicher Details, die das Leben auf dem damals als Bauernhof genutzten Anwesen veranschaulichen. Ganz links im Bild ein Ruderer: Offenbar reichte damals der heute ganz verschwundene „Alte Weiher“ zwischen Roisdorf und Bornheim noch bis nahe an das Haupthaus der ehemaligen Wasserburg heran.

Januar

„Es führt drei König Gottes Hand …“, 1962

Es gibt nicht viele Farbfotos aus dem Innenraum der alten Pfarrkirche St. Sebastian. Glücklicherweise fertigte Küster Willi Weber im Januar 1962 ein Dia von der bereits damals prächtig gestalteten Roisdorfer Weihnachtskrippe an, die gerade zum Fest der hl. Dreikönige umgestellt worden war. Das Dreikönigsfest wurde damals von Pastor Matthias Ossenbrink als gebürtigem Kölner immer mit besonderem Aufwand begangen. Ebenfalls auf Webers Dia in Farbe zu sehen: Der Seitenaltar mit der noch aus der Vorgängerkirche stammenden spätbarocken Statue des Pfarrpatrons, des hl. Sebastian. Auch dessen Fest am 21. Januar wurde damals in besonderer Weise – als sog. „Kleine Kirmes“ – gewürdigt, mit Festhochamt und sogar Kirmesbuden, ein Brauch, der in den vergangenen Jahrzehnten leider etwas vernachlässigt wurde und den wiederzubeleben sich lohnen dürfte.

Februar

Karnevalssitzung des Damenkomités „Germania“, 1948

Dass der Roisdorfer Karnevalszug an Weiberfastnacht stattfindet, dass wir von einer einzelnen Prinzessin statt von einem Prinzenpaar oder gar von einem Dreigestirn regiert werden, geht auf die Tradition des Damenkomités „Germania“ zurück, das im Jahr 1939, also vor nunmehr genau 70 Jahren, den ersten Zug organisierte. Hoch ging es aber nicht nur bei den Umzügen her, sondern auch bei den Karnevalssitzungen, die das Damenkomité „Germania“ im Saal der Gaststätte Pötze Köbes bzw. später Badenheuer am Brunnenplatz ausrichtete. Statt teurer auswärtiger Kräfte setzte man – wie dies auch heute sehr erfolgreich die Kath. Frauengemeinschaft auf ihrem „Bunten Nachmittag“ (besser bekannt als „Mütterkaffee“) tut – auf Beiträge der karnevalistischen Talente aus eigenen Reihen. Unser Bild zeigt wohl die erste Karnevalssitzung Roisdorfs in unserem heutigen Sinne, die 1948 von den jecken, als alte „Möhnen“ verkleideten Damen, aber noch mit einem männlichen Elferratspräsidenten abgehalten wurde: Suf dem Bild erkennbar: Maria Botz, Adele Hartmann, Margarete Esser, Margarete Klein, Christine „Jött“ Vendel, unbekannter Sitzungspräsident, Jakobine Batta, Jenna Vendel, Maria Recht Margarete (?) Vianden.

März

Die Köln-Bonner-Eisenbahn durchquert die Lüste, 19

Quelle: Heimatfreunde Roisdorf

Die Beseitigung der Kriegsschäden ging bei der Köln-Bonner-Eisenbahn nach der Währungsreform von 1948 zügig voran: Neue Trassen wurden angelegt, der Oberbau erneuert, die Signalanlage n und Gebäude wiederhergestellt. Ab 1954 konnten die alten Dampfloks und die Triebwagen aus der Anfangszeit der Rheinuferbahn durch moderne elektrische Doppeltriebwagen (ET) ersetzt werden. Die aus heutiger Sicht behäbig wirkenden Wagen mit ihrer charakteristischen rotgelben Lackierung boten in den folgenden Jahrzehnten einen vertrauten Anblick. Der letzte Einsatz der Eisenbahntriebwagen erfolgte am 8. November 1986. Abgelöst wurden sie von den weit funktioneller gestalteten Stadtbahntriebwagen der neuen „Linie 18“. Nur wenige entgingen damals dem Schneidbrenner: Die von der „Linzer Localbahn“ in Österreich aufgekauften Doppeltriebwagen ET 53, 55, 59 und 60 wurden in Wesseling frisch überholt, bevor man sie mit Güterzügen zu ihrem neuen Einsatzort schleppte.

April

Geschwister Engels beim „Verstoppe” in den Mistbee

Quelle: Berrisch, Schussgasse

In ihrem landwirtschaftlichen Betrieb im Oberdorf setzte die Familie Engels (Appelmanns) bereits früh auf die Anzucht von Gemüsepflanzen unter Glas. Unser Bild zeigt die Geschwister Barthel, Anna und Gertrud Engels beim Pikieren von Salatpflänzchen – einer Tätigkeit, die besser als „Verstoppe“ bekannt war. Die Mistbeete, in denen dies geschah, hatten ihren Namen von einer Lage Pferdemist unter der Anzuchterde, in die gekeimte Pflänzchen vereinzelt wurden. Das Mistbeet bedeckte man mit gerahmten Glasscheiben, wobei zwischen den älteren „Rheinischen“, den mit Stegen unterteilten Scheiben, und den neueren „Holländern“, den ungeteilten Scheiben, unterschieden wurde. Waren die so geschützten Pflänzchen im warmen Klima des Mistbeets kräftig herangewachsen, konnte man sie ohne Furcht vor Frösten auf den Feldern aussetzen – ein entscheidender Fortschritt in der landwirtschaftlichen Technik.

Mai

Ein Neubeginn für den Roisdorfer Mineralbrunnen, A

Quelle: Pfarrarchiv St. Sebastian

Als im Jahre 1860 das alte barocke Brunnenhaus einem Brand zum Opfer fiel, schien dies ein Zeichen für das nahe Ende des Roisdorfer Mineralbrunnens zu sein. Nach dem finanziellen Debakel des Pächters Gerhard von Carnap stand der Mineralbrunnen damals wieder unter direkter Verwaltung des Alfterer Fürsten von SalmReifferscheidt. Die Geschäfte liefen schlecht – neue Brunnen wie die Neuenahrer „Apollinarisquelle“ lieferten harte Konkurrenz. Gleichwohl wagten der junge Fürst – Fürst Alfred hatte 1861 die Nachfolge seines Onkels Fürst Josef angetreten – und sein Geschäftsführer Johann Rainer Kolf einen Neuanfang: Ein aufwändiges modernes Brunnenhaus wurde errichtet, wie sein Vorgänger ein Fachwerkbau, jedoch mit solch kunstvoll geschnitztem Holzwerk versehen, dass es den Eindruck eines großbürgerlichen Landhauses machte. Unsere Lithographie zeigt wohl nicht das bereits vollendete Gebäude, sondern eine Planansicht, wobei die Szenerie von elegant gekleideten Kurgästen bevölkert wird, die man so wohl niemals in der engen Brunnenstraße gesehen hat. Auch wenn sich kein neues Kurleben entwickeln sollte – mit dem Brunnen ging es langsam aber stetig wieder aufwärts. Das Brunnenhaus aus der Zeit nach 1860 hat sich, wenn auch in schlichterer Gestalt und um Nebengebäude erweitert, bis heute erhalten. Es kann als Beleg dafür gelten, dass der Roisdorfer Brunnen seit jeher in der Lage ist, seine Existenzkrisen zu meistern.

Juni

Familie Giesen/Uebe in ihrem Obstgarten, 1937

Auch wenn die Einwohner Roisdorfs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keineswegs durchweg Vollerwerbslandwirte waren, so verfügte doch fast jede Familie über einen kleinen Garten, aus dem sie sich mit frischem Obst und Gemüse versorgte und dessen Erträge man bei der Versteigerung vermarktete. Diese Gärten, am Hang oder im Feld gelegen, wiesen eine ganz eigene Gestaltung auf: Umgeben waren sie stets mit Hecken aus Beerenobst, in ihnen fanden sich Reihen von Obstbäumen und Beete für Gemüse. Ein Verschlag für Gartengeräte in seiner Mitte, mit einer Bank zum Ausruhen davor, gehörte oft dazu. Spätestens bei der Flurbereinigung in den 1970er/80er Jahren verschwanden die letzten dieser Art. Unser Bild zeigt die Familie Giesen/Uebe in ihrem Garten im Roisdorfer Feld: Klara Giesen, eine unbekannte junge Erntehelferin, Ernst, Gretchen und Heinz Uebe sowie die Nachbarin Franziska Langen. Der Gesichtsausdruck von Franziska verrät, dass die Himbeeren wohl noch nicht ganz reif waren.

Juli

Nachwuchs für den „Mandolinen-Club Roisdorf“, 1924

Die Konzerte des „Mandolinen-Clubs Roisdorf“ waren bereits bald nach dessen Gründung, die am 2. Mai 1923 erfolgt war, ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Roisdorf. Selbst Operettenaufführungen wurden veranstaltet. Zwar feierte man im Jahre 1948 mit großem Aufwand das Jubiläum des 25jährigen Bestehens, doch kam in der Folgezeit die Zupfmusik immer mehr aus der Mode. Zukunftsweisend war daher die Entscheidung von 1959, sich auf die Pflege der Blasmusik zu verlegen und den Mandolinen-Club in „Musikfreunde Roisdorf“ umzubenennen. Seit 50 Jahren gehören die Musikfreunde nun zu den führenden Blasorchestern der Region. Auf unserem Bild grüßt der Nachwuchs des Mandolinen-Clubs – leider kennen wir die Namen der Jungen nicht – „aus der Jugendzeit“ im Jahr 1924.

August

Gärtner der Villa Anna vor der Remise, ca. 1913

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Kommerzienrat Theodor Zilliken, Direktor der Stumm‘schen Eisenwerke im Saarland, die über den Höhen von Roisdorf gelegene Villa Anna übernahm, baute er das bescheidene Sommerhaus zu einem herrschaftlichen Landsitz aus. In dem ausgedehnten Park – insgesamt umfasste das Gelände ca. 25.000 qm – errichtete er hochmoderne Gewächshäuser, in denen die ersten Tomaten des Vorgebirges reiften: Sein Schwiegersohn, ein Italiener, soll sie mitgebracht haben. Verantwortlich für die Pflege von Park und Gemüsegarten war der Obergärtner Theodor Meier, der sich hier mit seinen Mitarbeitern vor der Remise der Villa, auf der anderen Seite der Südstraße, zeigt. In Haus und Garten sollte nach dem Tod des Ehepaars Zilliken ab 1929 der Landkreis Bonn den Lehrbetrieb der über Jahrzehnte erfolgreichen „Obst und Gemüsebauschule“ aufnehmen.

September

„Klütte-Lührer“ beliefert die Buenjass, Anfang 193

Um sich rechtzeitig für den Winter mit Briketts, Kohlen oder Koks einzudecken, war die Firma von Franz Löhrer auf dem Herseler Weg eine gute Adresse. Entweder holte man die Säcke mit dem Brennmaterial zentnerweise vom Hof selbst ab oder sie wurden mit dem Pferdefuhrwerk, später mit Lastwagen angeliefert und sogar in die Keller getragen. Stets gelang es „Klütte-Lührer“ die Wünsche seiner Kunden zu befriedigen, auch wenn das Brikettkontor in Bonn jedem Unternehmen nur ein bestimmtes Kontingent zuwies. Über 50 Jahre bestand die Firma, die später auch den Verkauf von Heizöl aufnahm und in deren Nachfolge die heutige Tankstelle Löhrer in Roisdorf und Bornheim steht. Auf unserem Bild beliefert Franz Löhrers Sohn Johann die Kunden in der Brunnenstraße mit dem begehrten Brennmaterial für den bevorstehenden Herbst und Winter.

Oktober

Ein Blick durch das Torhaus der Wolfsburg, ca. 191

Seit 1862 nutzte der aus der Brunnenstraße stammende Landwirt Wilhelm Rech die Wolfsburg, die zur Zeit des Roisdorfer Kurbetriebs in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Ausflugsgaststätte sehr beliebt gewesen war, erneut landwirtschaftlich. War er zunächst lediglich Pächter, so setzte er es 1888 daran, die Burg samt den zugehörigen 10 Cölnischen Morgen Land käuflich zu erwerben. Wie bis heute mündlich überliefert ist, war der damalige Eigentümer, Otto von Wittgenstein, eigentlich gar nicht zum Verkauf gewillt, doch konnte er diesen nicht mehr verweigern, als Rech ihm die verlangte horrende Summe von 30.000 Mark bar auf den Tisch des Hauses zählte. Seither ist die traditionsreiche Wolfsburg Eigentum der Familie Rech, die sich in liebevoller Weise um deren stilgerechten Erhalt kümmert. Unser Bild zeigt den Blick durch das Torhaus auf den damals, ca. 1910, noch mit Obstbäumen bestandenen Innenhof.

November

Einholung der Glocke „Guilelmus“, 1897

An Allerseelen 1897 – ein kalter Tag, an dem schon Schnee lag – war es endlich soweit: Die vier großen Glocken für den neuerbauten Turm der Roisdorfer Pfarrkirche wurden feierlich vom Staatsbahnhof abgeholt – nicht zufällig von Fuhrwerken, auf denen das Wappen der Alfterer Fürsten bzw. des Mineralbrunnens prangte, waren die bei der Firma Otto zu Hemelingen gefertigten Glocken doch eine Stiftung des Brunnenpächters Wilhelm Custor. Noch am selben Tag befand der Sachverständige des Erzbistums, Carl Cohen, sie als ein „Meisterwerk der Glockengießerkunst“. Mit allgemeiner Beflaggung, Böllerschüssen, Festzug, Festgottesdienst und Festkonzert feierte ganz Roisdorf am darauf folgenden Sonntag die Einweihung der Glocken. Deren größte, 2492 Pfund schwer, weihte man dem hl. Wilhelm („Guilelmus“) und ehrte damit auch den großherzigen Stifter. Nur 20 Jahre lang konnten sich die Roisdorfer indes am Klang der Glocken erfreuen: Am 1. Juli 1917 wurden sie wieder zum Staatsbahnhof gefahren, um zu Kanonen für den Weltkrieg umgeschmolzen zu werden – ein Schicksal, das im Zweiten Weltkrieg auch das Nachfolgegeläute von 1925 ereilen sollte.

Dezember

… als es in Roisdorf noch richtige Winter gab, ca.

Schneereich waren die Winter zu Beginn der 1960er Jahre. Unser Bild zeigt den damaligen Blick vom Bahnsteig der Vorgebirgsbahn auf die Pfarrkirche mit dem rückwärtigen Gelände von Brunnen und Siegesstraße. U.a. sieht man auf das alte Wohlfahrtshaus/St.Josef-Heim, samt seinem von der früheren Nutzung als Gastwirtschaft Recht/Wirtz stammenden Saal, das kurze Zeit später abgebrochen werden sollte. Heute erblickt man von diesem Standort aus den Nachfolger des Wohlfahrtshauses, das Seniorenhaus St. Josef.

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