Kalender 2024
"Roisdorf wie es war"
Titelbild
Im Herbst des vergangenen Jahres erreichte die Anfrage eines polnischen Museums die Heimatfreunde Roisdorf: In Tarnowice/ Tarnowitz, im ehemaligen Oberschlesien, gab es ein Gemälde, das fünf Kinder in einer parkartigen Umgebung zeigte. Die Namen der Kinder waren auf der Rückseite verzeichnet: Es waren Sibilla, Maria, Wilhelm, Theodor und Otto, die jüngsten der zwölf Kinder des Heinrich von Wittgenstein und der Theresa geb. von Schaaffhausen, welche 1845 die alte Burganlage auf dem Metternichsberg im Roisdorfer Oberdorf zu dem heute noch bestehenden repräsentativen Haus Wittgenstein umgestaltet hatten. Als Maler des nicht signierten Bildes konnte nun mit großer Gewissheit Edward von Steinle ermittelt werden, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch an der Vollendung des Kölner Doms beteiligt war. Die Kinder sind in sommerlicher Kleidung auf einer Terrasse und bei einem Brunnen dargestellt, bei denen es sich durchaus um die des Roisdorfer Sommersitzes der Familie handeln dürfte. Roisdorfer Pänz also. Das Gemälde gelangte offenbar über eine Tochter der abgebildeten Maria, gleichfalls Maria mit Namen, die einen Herrn von Fürstenberg heiratete, in den schlesischen Sitz von dessen Familie in Tarnowitz.
Januar
In einem Gedicht des 19. Jahrhunderts wird zurecht die „wasserreiche Flur“ Roisdorfs hervorgehoben. Ein Feuchtgebiet mit dem offenen Gewässer des Alten Weihers und dem sumpfigen sog. Lüüsch zog sich einst von der Grenze zu Bornheim über die Wolfsburg, die Pützweide und die Lüste mit dem Brunnenweiher bis hin zur Alfterer Grenze. In den in früheren Zeiten stets kalten Wintern froren die Gewässer natürlich regelmäßig zu. Seit jeher war dies ein – bisweilen nicht ungefährlicher – Spaß für die eislaufende Roisdorfer Jugend. Das größte Gewässer und damit die größte Eisfläche war in der Nachkriegszeit der offen zugängliche Brunnenweiher, der sich somit trefflich für Eishockey-Spiele eignete, wobei die Jugendlichen mit einfachen Holzstecken als Hockeyschläger zu improvisieren wussten.
Februar
Auf dem Schulhof der alten Volksschule in der Brunnenstraße lichtete Lehrer Görtz eine Gruppe von Fastnacht feiernden Mädchen ab: (v.l.n.r.) Lilo Grawlig, Annemie Kentenich, Marlene Hack, Marlies Zerlett, Renate Schneider, Brigitte Alef, Gisela Ewert, Marianne Gassen, Klara Tönnessen, Anneliese Giesen, Anni Rech, Maria Schmidt, Beate Schaden und Wilma Becker. Als „Baby“ im Kinderwagen: Anni Löhrer. Viel Aufwand wurde damals mit den Fastnachts-Kostümen – wenn man sich überhaupt verkleidete – nicht gemacht: Ein jeckes Hütchen oder ein Kopftuch genügten vollkommen. Offenbar ließ man sich dabei gerne von aktuellen Filmen inspirieren: Ein Blütenkränzchen mit seitlich herabhängenden bunten Bändern aufgesetzt und schon war die ungarische „Piroschka“ fertig. Seinen Spaß hatte man auch bei wenig Aufwand allemal.
März
„Geburtenstark“ nannte man zu recht die Jahrgänge der 1950er Jahre. Den wieder friedlichen Zeiten und dem wirtschaftlichen Aufschwung entsprechend ergoss sich damals auch über das rasch wachsende Roisdorf ein reicher Kindersegen. Bei der Einschulung all dieser „Pänz“, und zwar in Klassen, die jeweils mehr als 50 Kinder stark waren, platzte die alte Volksschule in der Brunnenstraße, die zuletzt zu Beginn des Jahrhunderts baulich erweitert worden war, förmlich aus allen Nähten. Wenige Jahre nachdem Rektor Josef Görtz seine neuen „i-Dötzchen“ vor der heute noch erkennbaren, den Hang abstützenden Mauer ablichtete, wurde daher ein neues Schulgebäude „Auf der Lüste“, also an der Friedrichstraße/ Brunnenallee, die heutige „Sebastian-Schule Katholische Grundschule Roisdorf“, erbaut.
April
Dass auf unserem Bild nicht die manchen noch geläufigen Roisdorfer Pfarrer Albert Hartmann oder Matthias Ossenbrink zu sehen sind, sondern hinter den Kindern der damalige Roisdorfer Hauskaplan Franz Ludwig Wagner und links von ihm der Bornheimer Dechant Ernst Pohlhausen, hatte seinen Grund: Pastor Hartmann war Anfang 1941 in den Ruhestand versetzt worden, die Einführung von Pastor Ossenbrink war auf den Tag nach der Erstkommunion, den Ostermontag, verlegt worden, da Kaplan Wagner die Kinder auf die Erste heilige Kommunion vorbereitet hatte. Man hatte die Feierlichkeiten von Erstkommunion und Pfarrereinführung trotz der bereits stark spürbaren Gefahren des Weltkriegs ausgerichtet. So war der Kölner Kardinal Karl Joseph Schulte nur wenige Wochen zuvor bei einem Fliegerangriff auf Köln einem Herzschlag erlegen.
Mai
Die Konzerte des „Mandolinen-Clubs Roisdorf“ waren bereits bald nach dessen Gründung, die am 2. Mai 1923 erfolgt war, ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Roisdorf. Selbst Operettenaufführungen wurden veranstaltet. Zwar feierte man im Jahre 1948 mit großem Aufwand das Jubiläum des 25jährigen Bestehens, doch kam in der Folgezeit die Zupfmusik immer mehr aus der Mode. Zukunftsweisend war daher die Entscheidung von 1959, sich auf die Pflege der Blasmusik zu verlegen und den Mandolinen-Club in „Musikfreunde Roisdorf“ umzubenennen. Seither gehören die Musikfreunde nun zu den führenden Blasorchestern der Region. Auf unserem Bild grüßt der Nachwuchs des Mandolinen-Clubs – leider kennen wir die Namen der Jungen nicht – „aus der Jugendzeit“ im Jahr 1924.
Juni
Der im „Wohlfahrtshaus“ in der Siegesstraße untergebrachte Kindergarten der Pfarrgemeinde erfreute sich in den 1950er Jahren steigender Beliebtheit bei der rasch wachsenden Roisdorfer Bevölkerung. Im alten, maroden Haus war es jedoch eng geworden. Um dies zu ändern, hatte man bereits 1952 ein unterhalb benachbartes Grundstück zwecks Errichtung eines neuen, den pädagogischen Erkenntnissen der Zeit gemäßen Kindergartens erworben. Nachdem im Jahres 1955 die Baugenehmigung vorlag, konnte im Jahr darauf die Grundsteinlegung des neuen Kindergartens erfolgen. Damals stand das alte Wohlfahrtshaus natürlich noch. Die braven Kinder des Kindergartens sangen dazu: „Stein auf Stein – Stein auf Stein … Das Häuschen wird bald fertig sein!“.
Juli
Ein sommerliches Idyll bietet uns das Julibild: Der wohlgenährte kleine Peter Hennes (Ühlelauchs Pitter) sitzt sichtlich zufrieden auf einem Teppich vor dem Scheunentor des elterlichen Hofes, neben pickenden Hühnern und Misthaufen. Ein Bild, wie man es heute sicherlich nirgendwo in Roisdorf, das kaum noch landwirtschaftliche Betriebe aufweist – und wenn dann solche auf dem heutigen Stand der Technik –, mehr aufnehmen könnte. Warum der Vater den Krähenvogel ans Scheunentor genagelt hatte, war Peter Hennes später nicht mehr bekannt.
August
Mit der letzten Fahrt des „Feurigen Elias“ kam im Jahre 1929 ein junger Mann nach Roisdorf, der jahrzehntelang die Roisdorfer Jugend maßgeblich beeinflussen sollte: Josef Görtz, 1908 geboren, wirkte bis 1971 als Lehrer bzw. später hoch angesehener Rektor an der Volksschule und machte sich darüber hinaus um unser Dorf verdient, indem er das Ortsgeschehen bis zu seinem Tod 1989 fotografisch festhielt. Keine Fronleichnamsprozession, kein Karnevals- oder Martinszug und keine Großkirmes, auf der er nicht mit seinem Fotoapparat präsent gewesen wäre. Dieser Kalender wäre kaum möglich, hätte er nicht vielen Roisdorfern seine Fotos gegeben. Unser Bild, das ihn als Junglehrer in Roisdorf zeigt, wurde später in seinem Elternhaus in Friesdorf aufgefunden.
September
Im Jahre 1954 zog eine Schafherde über die Bonner Straße. Bereits damals war dies ein außergewöhnliches Ereignis, an dem besonders die Kinder ihre Freude hatten. Man sieht sie auf dem Bild fein frisiert und sonntäglich gekleidet vor der blökenden Herde posieren – eine Szene, die heute angesichts des dort brausenden Verkehrs überhaupt nicht mehr denkbar erscheint.
Oktober
Eine Reihe von Photographien hat sich von den Erntedankfest-Umzügen erhalten, die in den 1950er Jahren auf Betreiben des damaligen, unter der Leitung von Lehrer Görtz stehenden Heimatvereins veranstaltet wurden. Szenen aus dem bäuerlichen Leben schmückten die einzelnen Festwagen, wobei der Wagen mit der imposanten Erntekrone, wie wir ihn hier auf der Bonner Straße sehen, besonders prächtig anzusehen war. Lange Zeit sollten diese malerischen Umzüge indes nicht bestehen, ging doch nicht nur der bäuerliche Charakter des Dorfes mehr und mehr verloren, sondern konnte diese Form des Brauchtums auch nicht auf einer alten Tradition am Ort fußen. Unser Bild von dem prächtigen Festwagen auf der Bonner Straße wurde im selben Jahr und fast von der gleichen Stelle aus aufgenommen wie das Septemberbild.
November
Wie dies auch heute noch alljährlich geschieht, besuchte St. Martin in den 1960er Jahren vor dem Zug am Martinsabend die Kinder der Roisdorfer Grundschule und des damals noch einzigen Kindergartens, wie dies hier der spätere Roisdorfer Ortsvorsteher Karl Schäfer tat, zur Freude der Pänz, aber ebenso der Mütter und Großmütter, die sich an die eigene Kindheit erinnerten. Die Austeilung des Weckmanns, Sinnbild des Teilens mit den Bedürftigen, wie es der große frühchristliche Heilige vorgelebt hatte, sie gehörte seit den Anfängen in den 1920er Jahren fest zum Martinsbrauchtum in Roisdorf, obwohl der Weckmann zuvor eigentlich – und noch für lange Zeit – als Gebildbrot dem Nikolausbrauchtum zugeordnet war. Seine bis heute hier geläufige plattdeutsche Bezeichnung „Hitzemann“ verweist sogar noch auf vorchristliche, keltische Zeiten im Rheinland.
Dezember
Auf die Feste und Feiern des Kirchenjahres wurden die Kinder in der Roisdorfer Volksschule von ihren Lehrern und Lehrerinnen stets intensiv vorbereitet. So verfügte manche Klasse über eine eigene Adventskrippe. Die besonders braven und fleißigen Kinder bekamen als Belohnung einen Strohhalm, den sie in die Krippe legen durften. Wer dann zu Weihnachten die meisten Strohhalme vorzuweisen hatte, durfte dann auch das Jesuskind hineinlegen. Beliebt war es, kurz vor dem Fest ein kleines Krippenspiel aufzuführen, bei dem es für jedes der Kinder natürlich eine besondere Auszeichnung bedeutete, wenn es die Rolle der hl. Maria oder des hl. Josef übernehmen durfte.