Kalender 2004
"Roisdorf wie es war"
Titelbild
Ein immer wieder dankbares Kalendermotiv bildet der Roisdorfer Brunnenpark, der ursprünglich in den 1840er Jahren vom Brunnen bis zur Bonner Straße reichte, aber auch noch in seiner auf den Bereich um den Brunnenweiher reduzierten Form, die ihm der Brunnenpächter Wilhelm Custor nach 1876 gegeben hatte, reizvolle Ansichten und Durchblicke ermöglichte. Unser Bild zeigt einen parallel zur Brunnenallee verlaufenden, die beiden Hälften des Weihers trennenden Parkweg, der später wegen des Baus eines Bürogebäudes aufgegeben werden sollte.
Januar
„Frisch – fromm – fröhlich – frei“ lautete der Wahlspruch der Turnerbewegung, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auch in Roisdorf begeisterte Anhänger fand. Stolz präsentiert sich hier die Riege des Roisdorfer Turnvereins im als Turnhalle genutzten Saal des Wohlfahrtshauses in der Siegesstraße, einem ehemaligen Tanzsaal. Vier der abgebildeten Recken waren Brüder: Fritz, Hein, Toni und Josef Faßbender vom Lindenberg. Wenig später sollte der Roisdorfer Turnverein aufgrund des Verbots der kirchlichen Jugendarbeit durch Nationalsozialisten sein vorläufiges Ende finden.
Februar
Präsentiert sich heutzutage eine Bäckerei mit großen Schaufenstern voller zum Kauf einladender Backwaren, so war dies vor ca. 100 Jahren, wie unser Bild zeigt, noch ganz anders. Lediglich ein bescheidenes Schild weist darauf hin, dass sich in dem Haus Brunnenstraße 30, das man ansonsten auch für ein vergleichsweise stattliches Bauernhaus hätte halten können – es steht heute leider nicht mehr –, die Bäckerei von Wilhelm Schmidt verbarg. Charakteristisch für die sozialen Verhältnisse der damaligen Zeit erscheint auch die Familie des Bäckers mit seiner Frau und den sechs, offenbar bald darauf sieben Kindern.
März
Das Eiersammeln der Messdiener, die alljährlich an den Kartagen durchs Dorf ziehen, um den verdienten Lohn für ihre unermüdliche Mithilfe bei den Gottesdiensten zu empfangen, bildet bis heute einen schönen und unverzichtbaren Bestandteil des österlichen Brauchtums in Roisdorf. Seien Sie also bitte großzügig mit Eiern, Geld oder Süßigkeiten, wenn vor Ihrem Haus auch in der kommenden Karwoche die Messdiener rufen werden: „Ür Löggche, wösst Ür wat mer wolle? Mir wolle, wolle Eie hann! Et Hohn hätt jeläat; der Hahn hätt jekräht! Eie für de Messjonge, Messjonge!“.
April
Der österlich geschmückte Chor der alten Pfarrkirche bot stets einen besonders festlichen Rahmen für die Feier der Erstkommunion in Roisdorf. Unser Bild zeigt eine von Pastor Matthias Ossenbrink geleitete Sakramentsandacht am Nachmittag des Weißen Sonntags. Auf unserem Bild zudem gut zu erkennen die traditionelle Sitzordnung der alten Pfarrkirche mit Frauenseite und Männerseite, wobei auf letzterer auch die Roisdorfer Ordensschwestern ihren Platz hatten und sich auch bereits einige mutige Frauen dort befanden. Niemals jedoch hätte sich ein Mann auf die Frauenseite gesetzt.
Mai
Einen idyllischen Anblick bot in früheren Zeiten das kleine aber schmucke Fachwerkgehöft der Familie Dick, das in der Kehre des Ehrentals gelegen war. Von Weinreben umrankt zeigt sich der Hof inmitten der gepflegten Obstgärten und Erdbeerfelder, wobei die Reihen der Mistbeetscheiben im Vordergrund auch von dem intensiven Gemüsebau zeugen, den die Familie Dick betrieb. Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass die Bewohner von Köln und Bonn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Scharen zur Baumblüte ins Vorgebirge zogen, um Anblicke wie diesen zu genießen. Nicht von ungefähr hieß die Weinbergslage, die sich gegenüber dem Hof Dick befand, in früheren Jahrhunderten „Im Paradies“.
Juni
Einen gewissen Nebenverdienst hatten im 19. Jahrhundert manche Roisdorfer, die sich als „Sandgräber“ betätigten, also den feinen weißen Quarzsand, der auf den Höhen über dem Dorf zu finden war, förderten und verkauften. In industriellem Maßstab tat dies die Fa. Schumann & Co., die im ehemaligen Restaurationsgebäude neben dem Kurbahnhof eine Sandmühle betrieb. 40 bis 60 Arbeiter waren mit der Förderung und dem Mahlen des Sandes beschäftigt – vielfach italienische Gastarbeiter, fanden sich doch kaum einheimische Arbeitskräfte für die staubige, die Lungen lebensgefährlich angreifende Arbeit. Bezeichnenderweise wurde die Sandmühle im Volksmund auch „Dudemöll“ genannt.
Juli
Aus der Konkursmasse einer Ansichtskartenfirma konnten die Heimatfreunde vor einigen Jahren Glasplatten-Negative mit Roisdorfer Motiven aus der Mitte der 1950er Jahre erwerben. Neben dem damals als Parksanatorium dienenden Haus Wittgenstein bot man auf unserer Ansichtskarte als besondere Sehenswürdigkeiten des Ortes den Brunnenpark, das Kriegerdenkmal und die Straßenkreuzung bei der Pfarrkirche St. Sebastian, die damals noch einen platzartigen Charakter aufwies. Das schöne Ensemble von Kirche und Pastorat, Tor von Haus Wittgenstein und weiteren Gebäuden des 19. Jahrhunderts ist durch den unglücklichen Abriss von Pastorat und Kirchenschiff heute unwiederbringlich zerstört.
August
Ein über die Jahrzehnte beliebtes Ausflugsziel im Wald zwischen Roisdorfer und Alfterer Hofebahn bildete das von Mathias Thomé eingerichtete Waldrestaurant Buchholz. Viele Roisdorfer werden sich noch erinnern, wie angenehm man nach einem sommerlichen Waldspaziergang unter den schönen Obst- und Kastanienbäumen der Gartenanlagen sitzen und Kaffee oder ein Bierchen trinken konnte. Es ist zu hoffen, dass das in den 1980er Jahren zum „Herrenhaus Buchholz“ ausgebaute und zur Zeit geschlossene Anwesen bald wieder einen Pächter finden wird, und man dort auch die ursprüngliche Atmosphäre des Waldrestaurants wieder wird genießen können.
September
Bis in die 1970er Jahre hinein war es ein schöner Brauch, dass ein Brautpaar mit seinen Hochzeitsgästen in einem Festzug zur Kirche und von dort zur Feier zuhause oder in der Gastwirtschaft zog – natürlich zu Fuß und nicht wie heute üblich in Form einer hupenden Autokarawane. Das ganze Dorf konnte so an dem festlichen Ereignis teilhaben, und auch die Kinder des Kindergartens, unweit der Pfarrkirche gelegen, bezeugten dem Brautpaar stets ihre Referenz. Erst wenn die Hochzeitsgesellschaft, die mit in Verse gefassten Worten zu einer Spende aufgefordert wurden, etwas in die bereitgehaltenen Körbchen der Kinder gegeben hatte, konnte der Hochzeitszug fortgesetzt werden. Unser Bild zeigt die Hochzeit von Gottfried Breuer und Renate Giesen im Jahre 1963.
Oktober
Während heute der zwischen den Orten Roisdorf und Bornheim liegende Bereich mit Rathaus, Gymnasium, Wohnpark Wolfsburg, Wohnstift Beethoven u.a. gleichsam das Zentrum der Stadt Bornheim bildet, war er bis in die 1970er Jahre hinein freies Feld, das lediglich durch eine lockere Bebauung am Siefenfeldchen verbunden war. Unser Bild ermöglicht einen Blick auf die vom Damm der Vorgebirgsbahn durchzogene, aber ansonsten freie Landschaft beim Siefenfeldchen und auf das herrschaftliche Schlösschen, das, harmonisch in diese Landschaft eingebettet, damals der Familie von Wrede gehörte – ein Plädoyer dafür, nicht auch noch die letzten anderenorts verbliebenen Freiflächen zwischen den Dörfern des Vorgebirges durch Besiedlung zu zerstören.
November
Wie dies auch heute noch alljährlich geschieht, besuchte St. Martin in der Zeit um 1960 vor dem Zug am Martinsabend die Kinder der Roisdorfer Volksschule. Jedes Schulkind sollte einen kostenlosen Weckmann erhalten, doch hatte man sich damit natürlich zu gedulden, bis St. Martin seine feierliche Ansprache gehalten hatte. Offenbar konnte indes einer der „Gänsebuben“ des St. Martin nicht so lange warten und wurde dabei vom Fotografen erwischt. Unter den jugendlichen Begleitern des St. Martin (Johann Schlitzer) befindet sich übrigens auch, das Ganze betrachtend und vielleicht schon für später lernend, der nachmalige langjährige Vorsitzende des Martinsausschusses Hans-Georg Klein.
Dezember
Es war schon eine stattliche Anlage, die „Militär-Effekten Fabrik“, die Franz Wilhelm Gammersbach, ein Kaufmann aus Meckenheim, seit 1851 auf dem Gelände des ehemaligen Kurparks an der Brunnenallee errichtet hatte. Aus dem beschaulichen Dörfchen Roisdorf, dessen Bewohner von der Landwirtschaft und allenfalls noch von der Sandgräberei lebten, wurde durch die Ansiedlung und den Ausbau der Gerberei und Glanzleder-Lackiererei Gammersbach ein nicht unbedeutender Industriestandort. Im Vordergrund der Darstellung, vor der Brunnenallee, ist neben der neuerbauten Villa der Industriellenfamilie auf der nördlichen Ecke Bonnerstraße/ Brunnenstraße das alte, allerdings damals bereits stark umgebaute Roisdorfer Kurhaus aus den frühen 1840er Jahren zu erkennen.